Dienstag mit Sonntag, 9 – 1630 Uhr
Zur Vorgeschichte der Exkursion:
Unser Grundkurs der K 13 wählte den Themenbereich Fotografie, Film, Video für das erste Kurshalbjahr. Der Schwerpunkt der Klausur sollte im theoretischen Bereich liegen. Jeder Kunsterzieher, der wie wir nicht über ideale räumliche Voraussetzungen verfügt, kann die technischen Probleme nachvollziehen, die sich bei einer derartigen Wahl und bei 24 Kursteilnehmern ergibt. Die Vorgaben des Lehrplans sind im Hinblick auf eigene praktische Tätigkeit der Schüler im Unterricht nur schwer zu erfüllen. In der Klausur wird wohl kaum ein Kursleiter die Schüler fotografieren oder filmen lassen, geschweige denn in die Dunkelkammer schicken. Die digitale Fotografie könnte aufgrund ihrer technisch sauberen Handhabung und ihrer schnelleren Ergebnisse in ferner Zukunft evtl. auch diese Probleme lösbar machen.
Wir konzentrierten uns zunächst einmal ganz auf die klassische Fotografie. In der Dunkelkammer lernten die Schüler das Prinzip der Camera obscura und die elementaren Prozesse bei der Entstehung eines fotografischen Abzuges kennen. In einer vorwiegend praktischen Unterrichtseinheit bauten wir ein Fotostudio auf und entwickelten anhand des Porträtfotos eine Aufgabenstellung, die die Kursteilnehmer über den Unterricht hinaus verfolgen sollten. Gegensätzliche Gemütsverfassungen sollten durch gezielte Manipulationen der Porträtaufnahmen, wie Beleuchtung, Hintergrundgestaltung, Konzentration des Blicks mittels Tiefenschärfe, bzw. Tiefenunschärfe, durch übertriebene Ghärte oder Weichheit etc. deutlich ins Bild gesetzt werden. Es ist verständlich, daß man in einem Kurshalbjahr aus Laien keine Fotografen machen kann, denen all diese Elemente vertraut genug sind, um sie beim Druck auf den Auslöser gezielt zu verwenden. Doch geschah die im Unterricht häufig betriebene Besprechung von Bildbeispielen bekannter Fotografen stets unter diesen Aspekten, in der Hoffnung, einen Zugang zum Blick eines Fotografen zu ebnen.
In Anlehnung an das Standardwerk Walter Koschatzkys
zur Geschichte der Fotografie lernte der Kurs im Vorfeld unseres Museumsbesuchs
grundlegende Entwicklungen der Fotografie vor 1900 kennen. Am Eingang des
Fotomuseums durchschreitet man eine überdimensionale Camera obscura.
Die
Schüler konnten hier wesentlich einprägsamer als in der Dunkelkammer
der Schule dieses seit alters bekannte optische Prinzip überprüfen.
Das Abbilden der Umwelt durch mechanische Hilfsmittel, wie die Camera obscura
zu erleichtern und dadurch auch neutraler, unbeeinflußbarer vom Augenwinkel
des Künstlers zu machen, faszinierte die Menschheit schon lange vor
Erfindung der Fotografie im Jahre 1839. Im Fotomuseum des Münchner
Stadtmuseums begegneten wir einer ganzen Reihe interessanter Apparate aus
der Zeit, bevor eine Fixierung dieses Bildes technisch möglich war.
U.a. gibt es dort eine transportable Camera obscura für den Landschaftsmaler
des 18. Jh., und in einer Vitrine Apparate, wie das bei Koschatzky abgebildete
Lumiskop, das Porträtmaler dieser Zeit gerne zu Hilfe nahmen.
Zu den Voraussetzungen der Fotografie gehörten die bahnbrechenden Verbesserungen der optischen Linsen im späten 18. Jh. Der Münchner „Lokalmatador“ auf diesem Gebiet ist Joseph Fraunhofer, dessen Glasschleifwerkstätte aus dem Kloster Benediktbeuern hier im Fotomuseum als eigener, rekonstruierter Raum zu besichtigen ist.
Eine Ecke des Museums ist den Pionieren der Fotografie um 1839 gewidmet. So kann man ein historisches, kleines Diorama sehen, das transparent gemalte Bilder von hinten beleuchtet und im beginnenden 19. Jh. zur Unterhaltung der Bürger von Paris diente. Daguerre begann seine Laufbahn als Maler solcher Dioramen und kam zur Fotografie eigentlich auf der Scuhe nach neuen Möglichkeiten auf diesem Gebiet. Sein berühmter erster fotografierter Mensch aus dem Jahr 1839 war Teil einer Widmung, die der Erfinder kurz nach Patentierung der Daguerrotypie an den Hof Ludwigs I nach München schickte. Erst nach dem 2. Weltkrieg fiel das Original einer Überrestaurierung zum Opfer. Dennoch kann man heute ein schönes Faksimile im originalen Rahmen mit entsprechender Widmung Daguerres bewundern.
Die
Abteilung mit Daguerrotypien des Fotomuseums ist für Schüler
ziemlich beeindruckend. Die Reproduktionen können den Charakter eines
derartigen kleinen Silberplättchens, das wie ein Spiegel wirkt und
meist kostbar gerahmt wie edle Schmuckstücke das Abbild längst
verblichener Menschen bewahrt hat, überhaupt nicht erfassen. Vor diesen
meist aus Amerika stammenden teils handkolorierten Kleinodien verweilte
der Kurs besonders intensiv. In unsrer medial überfrachteten Zeit
gelingt vielleicht gerade hier ein kurzes Innehalten und eine Besinnung
auf die überragende Bedeutung, die dem Bild, speziell dem Porträt
in unserer Zivilisation zukommt. Wir können auch noch nach 150 Jahren
die ungeheure Faszination, die von der Erfindung Daguerres auf die Zeitgenossen
ausging, nacherleben.
Von Talbot sind schöne Beispiele früher Kalotypien aus seinen Veröffentlichungen, wie the pencil of nature“ zu sehen. Auch ein Abzug des berühmten ersten fotografischen Bildes von Niepce, das wegen seiner langen Belichtungszeit wandernde Schatten im Hof seines Hauses zeigt, wird im Fotomuseum gezeigt.
Großen Raum nehmen die sogenannten Salzbilder
ein, farbig kolorierte Papierbilder um 1850. Die Aufstellung der Bavaria
im Jahre 1850, also 11 Jahre nach der Patentierung der Daguerrotypie kann
im Fotomuseum an Originalbildern dieser Zeit mitverfolgt werden, ebenso
begegnet man den „berühmten Zeitgenossen“, die Franz Hanfstaengl altmeisterlich
in Szene setzte. Unser Kurs hatte leider nicht die Zeit, gerade vor dieser
Reihe historischer Fotografien, über die Entwicklungslinie der Fotografie
als Kunst nachzuzeichnen. Immerhin zeigt das Museum eine ganze Reihe kostbarster
Bilder, die wohl nur eine Ahnung von der Fülle des Depots vermitteln. Alle
berühmten Größen, von den melancholischen Porträts
der Julia Cameron bis hin zu Pionieren der Fotografie um 1900, wie Edward
Steichen und Alfred Stieglitz kann man im folgenden finden. Die Schüler
eilten alsbald zu dem „Kaiserpanorama“, einer kreisrunden Kuriositätenbühne
aus einem oberbayerischen Klostergasthaus. Hier werden wechselnde Diaansichten
berühmter Orte gezeigt. Alles, sogar die Haken für die damals
obligatorischen Hüte ist original erhalten. Tzudem macht der Blick
durch das Guckloch offenbar auch unserer Mediengeneration noch besonderen
Spaß.
Unser Bild zeigt die Gruppe, wie sie den sachkundigen Erläuterungen des Herrn Frank (ein ehemaliger Luitpoldianer!) folgt, der uns mit großem Engagement durch die von ihm mitbetreute Sammlung führte. Wir stehen gerade in einem original erhaltenen Münchener Fotoatelier (ehemals Albert), das durch den Aufbau im Stadtmuseum die Zeit überdauern konnte. Die Stüctzen für Porträtaufnahmen, das raffinierte Oberlicht, die tropische Kulisse und vieles mehr zeigen die historischen Aufnahmen aus der Sicht des Fotografen.
Leider ist unser Beitrag über das Fotomuseum bald selbst schon wieder historisch, da das Museum einen kompletten Umbau plant. Aus diesem Grund ist derzeit auch kein Führer durch die ständige Sammlung auf dem Markt. Ich würde als Kursleiter oder Lehrer unbedingt zuvor einen Termin mit dem Museum vereinbaren und den Stand der Dinge in Augenschein nehmen. Es lohnt sich!
Martin Gensbaur
Abbildungen:
L.J.M. Daguerre, Boulevard du Temple in Paris, 1838, Daguerrotypie, aus: W. Nerdinger, vom Klassizismus zum Impressionismus, München, 1980;
Camera lucida, optische Vorrichtung zum Abzeichnen von Gegenständen mittels eines Prismenglases, aus. W. Koschatzky, Die Kunst der Photographie, Technik, Geschichte, Meisterwerke, Wien, 1983;
Literatur:
W. Koschatzky, Die Kunst der Photographie, Technik, Geschichte, Meisterwerke, Wien, 1983;
W. Nerdinger, vom Klassizismus zum Impressionismus, München, 1980;
W. Nerdinger, Elemente künstlerischer Gestaltung, München, 1986