Seminar am Luitpold-Gymnasium München für Kunsterziehung an Gymnasien
Bau einer Lochkamera
und Entwicklung von Variationsmöglichkeiten der Kamera
Claudia Pfeffer,  Seminar 1998/2000

Eine Unterrichtssequenz für die 7. Jahrgangstufe
Kunsterziehung am Gymnasium

Zum Themenbereich des Lehrplans: 7.3 Gestaltete Umwelt: Erfinden, Konstruieren, Nachbilden
Teil I: ca. 8 Doppelstunden
Teil II: 3 Doppelstunden
Was ist eine Lochkamera?
Im Prinzip ist eine Fotokamera eine einfache Sache: ein lichtdichter Raum und eine winzige Öffnung, durch die Licht von außen eindringen kann, Licht, das von Gegenständen reflektiert wird und die Reflexionseigenschaften ihrer Oberflächen als Information enthält. Macht man ein sehr kleines Loch in die Wand einer völlig abgedunkelten Schachtel, so entsteht - bei guter Beleuchtung der Außenwelt - in der Schachtel, auf der dem Loch gegenüberliegenden Wand, ein Bild der Außenwelt. Es steht auf dem Kopf und ist seitenverkehrt!
Man nennt eine derartige Schachtel "Lochkamera" oder "Camera obscura", was übersetzt so viel bedeutet, wie "dunkler Raum". Die physikalische Grundlage der "Camera obscura" besteht darin, daß Licht sich in Strahlen geradlinig fortbewegt und dabei die Helligkeit derjenigen Gegenstandsoberfläche transportiert, von der es reflektiert wird. 
Dieses einfache optische Gesetz ist seit der Antike bekannt. Im 16. Jahrhundert wurde die Qualität der Abbildung durch konvexe Linsen, die man vor das Loch setzte, verbessert. Seit der Renaissance gab es immer wieder Versuche die physikalische Optik und damit auch die Camera Obskura als Zeichenhilfe in den Dienst der Kunst zu stellen. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich aus der Lochkamera der Fotoapparat: Bestückt man die dunkle Box mit lichtempfindlichem Material - dem Film - so kann das Bild fixiert werden. Der qualitative Sprung von der Camera Obskura zum Fotoapparat kam nicht durch neue Erkenntnisse in der Optik, sondern durch die Chemie, die die Grundlage dafür lieferte, daß das Lichtbild dauerhaft fixiert werden konnte.

Historische Beispiele
Die historische Abbildung zeigt die Funktion und den Gebrauch der Camera obskura. Das in der Kamera entstehende Lichtbild läßt sich nachzeichnen. Das ist nicht so ganz einfach wie es aussieht, denn das Lichtbild ist selbst bei viel Sonne außen recht schwach, und ein schlechter Zeichner wird hier auch nur zu schlechten Ergebnissen kommen. Von Canaletto (18.Jh) wird gesagt, daß zahlreiche seiner Städteansichten mit Hilfe einer zeltartigen, mobilden C.O. entstanden.
Der Querschnitt durch diese historische C.O.(um 1900) zeigt deutliche Verbesserungen auf. Mit Hilfe einer Linse und eines ausziehbaren Tubus läßt sich die Kamera deutlich verkleinern. Ein Spiegel kehrt das Bild um und wirft es auf eine Mattscheibe, auf der man es nachzeichnen kann. Der Lichtschacht reicht in der Regel nicht aus um das Tageslicht auszuschließen. In diesem Fall stülpt sich der Zeichner ein schwarzes Tuch über den Kopf und die Kamera.
Vorbereitungen 
Die hier angegebenen Materialien werden für den Bau einer Lochkamera benötigt nach den Plänen von Peter Olpe: "Die Lochkamera",  Lindemanns Verlag. Die Pläne sind dort so angegeben, daß sie einfach kopiert werden können und mittels Folie auch vor der ganzen Klasse erklärt werden können. Mit dieser Kamera lassen sich einerseits außergewöhnlich scharfe Fotos herstellen, andererseits läßt sie sich sehr leicht neu laden. 
Für den zweiten Teil, das Herstellen von zylinderförmigen Lochkameras, sind keine Baupläne nötig. Es muß lediglich ein Verschlußsystem entwickelt werden, z. B. ein Verschlußring, der über die Öffnung geschoben werden kann. Als Baumaterial eignen sich am besten kleine Chipsdosen, die von den Schülern gerne gekauft werden. Selbstverständlich muß der Inhalt vorher verzehrt werden.

 Material:
Für Teil I:  beidseitig kaschierten, 1-1,5 mm dicken Wellkarton ca. 1,2 x 1,6 m für eine Kamera, Alufolie, Nadeln, Schneideunterlagen, Holzleim oder Heißklebepistole, schwarze Wandfarbe (ca. 500 ml für 15 Kameras), Tonpapier und Schwarzes Klebeband;  von den Schülern mitzubringen: Cutter, Geodreiecke, Lineale, Bleistifte; zum Belichten: sw-Planfilmnegative 9 x 12 cm;
Für Teil II: zylinderförmiges Verpackungsmaterial (Durchmesser 5-10 cm): z.B. Salzdosen, Chipsdosen etc.,  zum Belichten:  sw-Planfilmnegative 9 x 12 cm; 

Vorbemerkungen
Ziele: Durch den Bau einer Lochkamera nach einem vorgegebenen Bauplan sollen die Schüler zuerst den Aufbau, die Funktionsweise und für das Bild relevante Variablen eines einfachen fotografischen Apparates kennenlernen und verstehen. In dieser ersten Phase geht es auch darum, daß  die Schüler einen Bauplan lesen und verwenden lernen und die zur Umsetzung nötigen Arbeitstechniken erwerben.
Sie sollen mit den aus Wellpappe hergestellten Kameras Aufnahmen machen, und sie in einer gemeinsamen Betrachtung  auswerten. Später soll das Gelernte übertragen werden auf die Aufgabe aus einem zylinderförmigen Verpackungsbehälter eine Kamera zu entwickeln. Um hier die geeignete Lochgröße zu ermitteln müssen zentrale Begriffe wie z.B. "Bildweite" auf eine neue Situation übertragen werden. Für die Probleme "Lichtdichte" und "Verschlußkonstruktion" müssen die Schüler nun eigene Lösungsmöglichkeiten finden. Der Bau dieser zweiten Kamera wird weit weniger Zeit in Anspruch nehmen, da der Grundkörper schon vorgegeben ist. Das Besondere an der Zylinderform besteht darin, daß durch die Wölbung das Negativ kontinuierlich von einer Seite des Lochs bis zur anderen reicht und somit ein Panoramafoto entsteht. 

Unterrichtsverlauf
In der ersten Doppelstunde zeige ich den  Schülern eine von mir gefertigte Kamera, sowie damit belichtete Planfilmnegative und Abzüge davon. In einem Unterrichtsgespräch klären wir die Funktionsweise einer Lochkamera und Grundlagen des fotografischen Prozesses.
Dann werden die Baupläne verteilt und erklärt. Die Arbeitsphase wird eingeleitet durch das Aufzeichnen der einzelnen Teile auf Wellpappe, wobei jeweils zwei Schüler im Team an einer Kamera arbeiten. 
Am Anfang der zweiten Unterrichtseinheit stehen einige Hinweise, die häufig auftretende Probleme beim Aufzeichnen der Teilstücke aufgreifen. Dann werden die restlichen Teile auf die Pappe übertragen. Bevor die ersten Schüler mit dem Ausschneiden beginnen, wird der richtige Einsatz von Cutter und Lineal demonstriert.
In der dritten Unterrichtseinheit beginnt, nachdem die Teile A, B, C und D auf einer Seite schwarz bemalt wurden, um eine Reflexion des eintretenden Lichts zu verhindern, der Zusammenbau, der mit einer Anleitung in Bildern erarbeitet wird (siehe Anlage). Dann kann erst einmal selbständig gearbeitet und die Teile A, B und C zu einem Kasten zusammengefügt.werden.
Dann muß das Loch hergestellt und eingeklebt werden.

Mit Hilfe der Tabelle ermitteln wir im Unterrichtsgespräch die geeignete Größe für die Aufnahmeöffnung:
Die Bildweite ist der Abstand von der Aufnahmeöffnung zur Abbildungsebene (Filmebene).
Die dem Objekt zugewandte Aufnahmeöffung der Kamera bezeichnet man als Objektiv.
Bildweite in mm Durchmesser des Lochs in mm Lichtstärke
25 0,2 1:125
50 0,25 1:200
75 0,3 1:250
100 0,35 1:280
125 0,4 1:300
150 0,45 1:330
Die Aufnahmeöffnung wird mit einer Stecknadel in Alufolie gestochen, wobei darauf geachtet werden muß, daß die Öffnung annähernd rund ist und ohne Brauen. Der Durchmesser, 0,35 mm, wird an einem Lineal abgeschätzt.  Den meisten Schülern gelingt das mühelos.
Mit Hilfe einer halbfertigen Lochkamera wird nun erklärt, wie Teil D in die Kamera eingesetzt wird. Hier entstehen leicht  Fehler, wenn nicht gezeigt wird, daß Teil D mit dem Ausschnitt nach hinten eingeklebt werden muß. Dabei bleibt ein Freiraum von ungefähr einem Zentimeter, um die Kasette mit dem Negativ einzuschieben. Die Kassette muß sich mühelos in die Kamera schieben lassen, sonst entstehen beim Filmwechsel in der Dunkelkammer Probleme. 
Dann werden Teil F und G zusammengesetzt und auf Teil E, vorne an der Kamera befestigt. Haben die Schüler bisher nicht genau genug gearbeitet, so gibt es spätestens jetzt Probleme, weil der Deckel der Kamera, Teil F/G, zu eng ist. Ist die Kamera zusammengeklebt, so werden die geklebten Kanten mit schwarzen Tonpapierstreifen überzogen, damit sie auch sicher lichtdicht sind. 
Anschließend wird nach auf den Plänen bei Olpe angegebenen Maßen die Planfilmkassette hergestellt.
Nun folgt eine theoretischer Abschnitt: Die Schüler lernen die Fachbegriffe "Negativ" und "Positiv" kennen, sie erfahren, daß der Film wegen seiner lichtempfindlichen Schicht nur in absoluter Dunkelheit in die Kamera eingelegt und herausgenommen werden kann. Zudem muß erläutert werden, wie der Film in die Kassette eingeschoben wird: der Planfilm, der nur auf einer Seite beschichtet ist, hat eine Markierung, die sich im rechten unteren Eck befindet.

Laden und Belichten des Films
Nach dieser Einführung  gehen wir gemeinsam in die Dunkelkammer und legen SW-Planfilme (100 Asa, 25 Stück ca. 20 DM, erhältlich im Fotofachgeschäft) ein. Danach spreche ich mit der Klasse darüber, was sie beachten muß, um ein ausreichend belichtetes, scharfes Negativ zu erhalten: die Belichtungszeit sollte, je nach Wetter und Jahreszeit, zwischen 45 Sekunden bei Sonnenschein im Sommer und 1 - 2 Minuten bei trübem Wetter, betragen. In Innenräumen ist es gewöhnlich zu dunkel! Wichtig ist es auch darauf hinzuweisen, daß die Kamera beim Belichten auf einem festen Grund stehen muß und nicht wackeln darf.  Bis zum Ende der Woche erhalten die Schüler den Auftrag mit ihrem Apparat ein Foto zu "schießen" und mir die Kamera mit dem belichteten Negativ vorbeizubringen, so daß ich die Negative entwickeln kann. 
In der folgenden Unterrichtseinheit besprechen wir die entstandenen Negative. Meist sind einige über- oder unterbelichtete Negative dabei, ebenso wie verwackelte Fotos. Die Schüler berichten, wie die Fotos entstanden sind und wir suchen gemeinsam nach möglichen Ursachen für die Fehler. Hier könnte eine erste Benotung erfolgen.  Die Positivabzüge werden entweder von der Lehrkraft gemacht oder jeder Schüler kann sich beim Fotografen einen Abzug machen lassen. Möglicherweise kann diese Arbeit auch von einem Fotokurs übernommen werden oder einzelne Schüler aus der Klasse können für eine solche Aktion am Nachmittag gewonnen werden.

Bau der zylinderförmigen Kameras
In der zweiten Phase sollen die Teams aus zylinderförmigem Verpackungsmaterial eine Kamera herstellen. In einer Zeichnung wird erarbeitet, wie in einer derartig geformten Kamera ein Panoramafoto entsteht. Zusammen besprechen wir, welche "Umbauten" an der Verpackung durchgeführt werden müssen: Wie kann das Gehäuse lichtdicht gemacht werden (z. B. den Deckel mit schwarzer Farbe bemalen, nach dem Laden mit schwarzen Gewebeband abkleben)? Wie muß ein Verschluß für das Loch aussehen? Wie bestimmt man die Größe des Lochs (über den Durchmesser des Zylinders und obige Tabelle)? Was muß innen verändert werden werden ?  Bei dem einführenden Gespräch geht es darum, die Schüler auf mögliche, auftretende Probleme hinzuweisen und gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.
Dann beginnt die eigenständige Arbeit der Schüler.
Auch hier werden nach dem Bau wieder Fotos gemacht, entwickelt und ausgewertet.

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Projekt einer 10. Klasse