Auflösung Bilder
auf den Punkt gebracht
Ein historischer Abriß zum Problem der Auflösung von Uli Schuster |
Der Begriff Auflösung steht politisch für Unregierbarkeit und Chaos. In der Chemie steht er für ein Verfahren Feststoffe zu verflüssigen, um ihre Reaktionsmöglichkeiten zu testen, ihnen Eigenschaften zu entlocken, die sie für sich und im verfestigten Zustand nicht zeigen können. Bei einem Rätsel oder Kriminalfall bezeichnet Auflösung den Punkt, an dem Gewissheit über ein Problem, einen Tathergang hergestellt ist. Für moderne Bildtechnik und Bildverständnis ist Auflösung ein zentraler Begriff geworden. Er deckt sich nicht mit dem Begriff Abstraktion, den wir Kunsterzieher häufig gebrauchen, aber er beschreibt eine Reihe von Abstraktionsleistungen im Zusammenhang mit Bildern sehr präzise. Anders als "Abstraktion", womit in der Hauptsache eine geistige Leistung verbunden wird, enthält der Begriff Auflösung einen Handlungsaspekt und damit auch die Fähigkeit, ein methodisches Vorgehen materiell zu beschreiben. Auflösung ist ein Gradmesser für die Informationsdichte z. B. in einem Bild. Hoch aufgelöste Bilder liefern uns eine Fülle an Informationen, möglicherweise mehr als wir brauchen, z. B. speichern können. Insofern kann "Auflösung" zu einem Gradmesser werden für einen rationalen Umgang mit Information. |
Reproduktion
von Texten, Bildern oder dreidimensionalen Objekten bedeutet in der Regel
Übertragung von Information von einer Darstellungsform in eine andere,
von einem Medium in ein anderes. Sofern bei der Reproduktion nicht ein
Klonen = identisches Nachbilden angestrebt wird, stellt sich die Frage,
welche Objekt-, Bild-, Texteigenschaften reproduziert werden sollen. Ein
Fresko aus der Renaissance, befindlich in der Kirche S.Maria del Carmine
in Florenz beispielsweise, soll in seinem bildhaften Eindruck transportabel
gemacht werden für einen Kunsterzieher, der es in Pfarrkirchen seinen
Schülern zeigen will. Es soll beispielsweise auf fotografischem Film
abgelichtet werden. Dabei entsteht nicht annähernd eine identische
Nachbildung des Freskos, sondern eine analoge Kopie, eine fotografische
Reproduktion auf Film oder Fotopapier, vielleicht nur in schwarz/weiß
und in der Größe und Auflösung, die das verwendete
Filmmaterial hergibt: auf 35 mm Filmbreite (Kleinbild) bei einer Filmempfindlichkeit
(Auflösungsvermögen) von 400 ASA wegen der schlechten Beleuchtungsbedingungen
in der Kapelle. Die Analogie von Vorbild und Nachbild beschränkt sich
also auf proportionale Ähnlichkeit der Formen und Ähnlichkeit
in der Helligkeitsverteilung.
Der Kunsterzieher wünscht nun den Schülern einen Eindruck von der Größe des Originals zu geben und möchte das Dia durch einen Fotografen auf das Format der Originalwand vergrößern lassen. Der Fotograf rät ab und will den Auftrag nicht annehmen. Was dabei deutlich zum Vorschein käme, sagt er, sind die schwachen Auflösungseigenschaften des Films: Die Körnung des Films, die Unschärfe der Aufnahme, die Oberflächeneigenschaften des Fotopapiers werden wahrnehmbar. Auflösung würde zu einem ästhetischen Phänomen und Störfaktor, für den er nicht verantwortlich sein will. |
Weniger ist oft mehr |
Was
bei der Reproduktion von Masaccios Bild stören würde, hilft uns
bei anderen Bildern.
Unschärfe und Detailmangel sind
im fotografischen Bild z.B. ein Kennzeichen für räumliche
Distanz. Manet verwendet das auch in der Malerei, anders als Masaccio,
bei dem das Bild auch in der Tiefe scharf umrissen und detailliert ist.
Manet malt Bildgegenstände des Vordergrunds schärfer und in höherer
Detaillierung = Auflösung, während er den Hintergrund grob und
im Umriß unbestimmt darstellt. Da Manet mit uns in diesem Bild ein
Spielchen mit Entfernungen treibt, trägt die Unschärfe genauso
wie die schwache Auflösung zur 'Klärung' der räumlichen
Situation im Bild bei. Im Vordergrund des Bildes sehen wir die Bardame
von vorne. Sie ist uns nah und deshalb im Umriß scharf
gezeichnet. Der Spiegel im Hintergrund ist nicht viel weiter entfernt,
aber er spiegelt den ganzen Raum mit den Menschen an den Tischen, und die
sind weit entfernt, auch wenn ihr Spiegelbild nahe ist und ein Fotoapparat
leicht auf sie focussieren könnte. Rechts neben der Bardame sehen
wir ihr Spiegelbild also sie von hinten. Da sie nahe am Spiegel steht,
ist ihr Umriß scharf, während der Mann, der sie anschaut und
in Wirklichkeit vor ihr, also näher zu uns steht, vom Spiegel weiter
entfernt ist und deshalb deutlich unschärfer abgebildet
ist. Alles klar?
Beispiel: "Bar aux Folies-Bergère" (Manet) |
Das am häufigsten eingesetzte Medium
zur bildlichen Reproduktion war bis in unsere jüngste Vergangenheit
die Fotografie. Das Auflösungsvermögen der Fotografie
wird beschrieben als Empfindlichkeit des filmischen Materials.
Heute geht die Bedeutung des Films als Träger oder Speichermaterial
zurück. An seine Stelle tritt der Bildchip in einer Kamera, die digitale
Speicherung auf Diskette oder Festplatte und die Ausgabe über das
Medium Bildschirm oder über einen Druckkopf - was immer das ist -
auf Papier. Überall dort, wo das Bild digital erfasst wird, also in
einen Code aus Nullen und Einsen überführt wird, beschreiben
diese letztlich Eigenschaften eines Bildelements = PIXELS.
Und das Pixel ist schließlich auch das letzte wahrnehmbare Elementarteilchen
des digital erzeugten Bildes. Zu den Auflösungseigenschaften des digitalen
Bilds zählt nicht nur die Anzahl der Pixel, in die es flächig
aufgelöst wird (Bildgröße), sondern auch die Auflösungstiefe
(in Bit), also die Anzahl der Merkmale, die jedem Pixel zugeordnet werden
(Helligkeit, Farbwert, Farbton, Sättigung).
Für das Bildraster existiert heute eine ganze Bandbreite von Lösungen, solche, die mit hoher Auflösung jenseits der Schwelle unserer visuellen Wahrnehmung ihre Existenz verschleiern, aber auch solche, die sich unserer Wahrnehmung sichtlich stellen, weil sie nur gering auflösen. Im folgenden sollen zentrale Begriffe und historische Zusammenhänge im Kontext Bildauflösung thematisiert werden bevor am Ende wieder die Fotografie und das fotografische Raster sowie der Bildschirm und das Pixel betrachtet werden sollen: |
Das
Zerlegen
von Bildern erscheint bereits in archaischer Zeit als eine grundlegende
Technik zum Aufbau und zur Übertragung von Bildern. Der heute übliche
Begriff kommt aus dem Lateinischen. Rastrum ist eine Hacke mit mehreren
Zinken zum Zerkleinern von Erdschollen, also eine Art Rechen. Beim Bildaufbau
dient das Raster dem Zerlegen der Bildfläche in kleinere Portionen
und sodann der Verteilung, Ordnung der Bildgegenstände, Bildelemente
auf der umgrenzten Bildfläche. Bei der Übertragung eines Entwurfs
auf den endgültigen Bildgrund dient es der Herstellung proportionaler
Analogie in Höhe und Breite = geometrischer Ähnlichkeit.
Abbildung 1 zeigt einen Ausschnitt aus einem Relief um 2100 vor Christus (Kairo) und gilt als das älteste Beispiel für im Quadratnetz entworfene Figuren. Während der Körper in ein grobes Raster eingepaßt ist, hat der Vorzeichner für den Kopf in vertikaler Richtung eine höhere Auflösung gewählt. Das Raster dient hier offenbar zwei Zwecken. Der richtigen Platzierung der Figur auf dem Grund und der proportionalen Gliederung der Figur. Die Suche nach ästhetischen Elementarerfahrungen, die zum Bildraster führen, lässt an ein Geflecht und ein Gewebe denken. Als gedankliches Muster steckt im Vorgang des Webens, Knüpfens, Knotens, Strickens die Möglichkeit geometrische Muster bis hin zu abbildhaften Darstellungen aus einem System von vertikal und horizontal gespannten Fäden, zeilenweise aneinandergereihten Maschen aufzubauen. Die Natur selbst kennt das Prinzip bildhafte Superstrukturen aus gleichförmigen Elementarteilchen zusammenzusetzen, z. B. bei der Haut von Fischen (Schuppen) und Schlangen oder auch beim Schmetterlingsflügel. Bei
den frühen Beispielen des Bildrasters zeigt sich deutlich die Verwandtschaft
von Bildraster und Schriftzeile , welche zur Ordnung von Texten
und zur Ausrichtung von Schriftzeichen seit jeher eine Grundlage darstellt.
Zumindest Bilder, die im Zusammenhang von Texten auftauchen, werden schon
bei den Ägyptern im 3. Jahrtausend vor Christus dem zeilenweisen Aufbau
des Textes unterworfen, wobei Zeile in gleicher Weise horizontale wie vertikale
Linie bedeuten kann. Wenn auch die rasterartige Gliederung der Bildfläche
bei den Ägyptern ein deutlich wahrnehmbares System darstellt, so wurde
vom Maler oder Bildhauer das eigentliche Bildraster lediglich als Hilfsmittel
wie bei einer Vorzeichnung eingesetzt, die letztlich ausgelöscht und
von der sichtbaren Oberfläche verbannt wurde. Allein die zahlreichen
unvollendet gebliebenen Reliefs und Malereien zeigen uns, daß die
klaren geometrischen Absichten nicht spontan entstanden, sondern absichtsvoll
ins Werk gesetzt wurden.
Während in der Malerei das Bildraster zu einer Technik wird, die ästhetisch im Hintergrund bleibt, ist es beim Mosaik durch die Gleichförmigkeit der Mosaiksteinchen auch wahrnehmbar als Bildgefüge eingesetzt. Anders als beim Weben verliert sich dabei jedoch der Zwang zum Einhalten einer Systematik aus horizontalen und vertikalen Richtungen. Beim Mosaik kann die entstehende Lineatur der Fugen ähnlich wie bei einer Schraffur formbeschreibende, modellierende Funktion erhalten. Abb. 3 zeigt die Hausherrin aus der Villa Erculia, Piazza Armerina. Wo es dem Mosaikmaler möglich ist, folgt er beim Legen der Steine der plasischen Körperform. Beim plastisch neutralen Hintergrund hält er sich mit horizontalen Zeilen an eine neutrale Richtung. Ab der Renaissance verliert sich der Zusammenhang von Bild und Schrift zumindest in der Malerei weitgehend. Doch bleibt das Bildraster als methodische Grundlage der Reproduktion, vor allem der Vergrößerung oder Verkleinerung im Gebrauch, gewinnt aber als unsichtbar im Hintergrund wirkendes kompositorisches Gerüst für die Bildgliederung noch an Bedeutung. Sogar im Bereich der plastischen Reproduktion - wo man es vielleicht am wenigsten vermuten möchte - ist es wirksam in der Apparatur der Exempeda, einer Projektions- und Reproduktionsmechanik für plastische Objekte. Im Grunde zeigt sich hier auch eine geistige Verwandtschaft zwischen Webstuhl und jeglicher Art geometrischer oder optischer Projektion. Für die Reproduktion von Bildern im Druck und auf dem Bildschirm erhält das Raster in diesem Jahrhundert eine grundlegende Rolle und ist schlicht gesagt aus der medialen Darstellung von Bildern nicht mehr wegzudenken. Der Filmstreifen unterliegt dem System ebenso wie der Bildschirm. Abb. 4 zeigt in einem Holzschnitt Dürers ein Verfahren zur Konstruktion des perspektivischen Bilds. Jeder Bildpunkt wird hier mit Hilfe eines Fadens bestimmt, der die Funktion eines Peilstrahls besitzt. Der Schnittpunkt von Peilstrahl und Bildebene wird nach seinen Koordinaten bestimmt (das macht der Mann rechts) und auf die Bildfläche als Punkt übertragen. Das Bildraster (Koordinatensystem) wird damit zum universellen Instrument zur Bestimmung der Lage jedes einzelnen Bildpunkts in beliebig hoher Auflösung. Bezeichnend in diesem Beispiel ist, welche Punkte Dürer seine Gehilfen übertragen lässt. Im Prinzip wäre jeder Punkt gleich berechtigt. Der Zeichner allerdings weiß, daß für den Raumeindruck des Abbilds ganz bestimmte Punkte hinreichend sind. In der Reduktion der Informationsdichte liegt eine Konzentration aufs Wesentliche. |
Historisches
Bei der Schrift besitzen die Zeilen ursprünglich sehr verschiedene Bedeutung. Das lernt man heute noch beim Zeichnen der ersten Buchstaben: Es gibt Zeilen, auf denen der Buchstabe steht und solche, die ihn nach oben begrenzen. Für halbhohe und überlange Buchstaben kann man ebenso wie für besondere Unterlängen eigene Zeilen angeben. Am differenziertesten hat sich dieses Prinzip in der Notenschrift gehalten. Gegenüber dem Zeilensystem der Schrift erscheint das Quadratnetz als eine "späte" Entwicklung, isoliert es in seiner ausgereiften Form doch die Funktion der Gliederung und Flächenteilung von jeder besonderen Bedeutung und jedem Inhalt. Es entsteht in Ägypten mit dem Beginn des Mittleren Reichs (um 2100 vor Chr.). Das Quadratnetz überzieht eine Bildfläche mit einem gleichmäßigen Linienraster ohne Rücksicht darauf, was in dem Bild dargestellt und wo es platziert ist . Es eignet sich deshalb als allgemeines Verfahren zum Übertragen, Kopieren, Vergrößern und Verkleinern, strukturieren jeglichen Bildinhalts. Einziges Kriterium für die Eignung eines Rasters zu diesen Zwecken ist seine Dichte. Will man kleine Formen übertragen, benötigt man ein enges Netz, bei größeren Formen genügen weitere Maschen. Schließlich sind es die Schnittpunkte von Rasterlinien und Formlinien , die in einer sinnvollen Dichte erzeugt werden müssen. Überall, wo in der Schule auf größere Flächen, Wände gemalt wird, ist zu überlegen, ob man das spontan machen soll oder ob man nicht besser methodisch gezielt vorgehen will. Ein kleiner Entwurf muss vergrößert werden. Ein Quadratraster leistet hier beste Dienste, um die Vorzeichnung auf die Wand zu vergrößern. Das Quadratnetz ist dazu das in der Malerei übliche Arbeitsmittel. Übrigens bedienen sich auch manche Sprayer eines Quadratnetzes, um ihre Entwürfe auf der Wand vergrößert zu realisieren. Das Raster ermöglicht die proportionale Übertragung, aber es kann auch gezielt für Verzerrungen eingesetzt werden. Auch wenn die Vergrößerung mit Hilfe eines Projektors einfacher und schneller sein mag, wird der Lehrer vielleicht gute Gründe dafür finden mit einem Quadratnetz zu arbeiten. Die Renaissance kennt neben dem Raster als Gliederungsprinzip auch das Tagewerk, in dem die Bildfläche nach Gesichtspunkten der täglichen Arbeitsleistung zerlegt wird. Dieses Prinzip ließe sich übertragen auf Kompetenzbereiche bei der arbeitsteiligen Gestaltung einer größeren Wandfläche durch eine Schulklasse. Allerdings werden dann auch die unterschiedlichen Handschriften der Schüler deutlicher.
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Bedeutung
Das Kunstwort Pixel wird in der Regel erklärt aus der Abkürzung für "picture element" . Bilder lassen sich auf die verschiedensten Weisen in Bildelemente zerlegen: Farbe, Beleuchtung, Form, Raumaufbau, Flächengliederung, Bewegungsrichtungen... könnte man aus dem Zusammenspiel im Bild isolieren und zu Bildelementen erklären. So haben die Kupferstecher bei der Reproduktion von Gemälden auf die Wiedergabe von Farbe verzichten müssen, haben die Bildkünstler seit der Renaissance die Nachzeichnung, wie übrigens auch die "Naturstudie", stets in einem reduktionistischen Sinn als eine Aufgabe aufgefasst, die verschiedensten Aspekte, Elemente eines Bildganzen zu isolieren. Und die Künstler, Maler, Bildhauer, Zeichner, Grafiker haben im Verlauf von Jahrhunderten Zeichenmaterialien und Zeichentechniken entwickelt, mit deren Hilfe sich ganz bestimmte Objekteigenschaften mit Hilfe von Bildelementen verdeutlichen, ja isolieren ließen. So gibt es Lineaturen, die vorwiegend formbeschreibend sind (Konturen) und solche, die plastische Werte (Volumina) oder auch taktile Werte (Texturen) wiedergeben können.
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Gegenüber der
Malerei hat die Druckgrafik den Vorteil des seriellen Bildes. Von jedem
Druckstock läßt sich eine Auflage qualitativ gleichwertiger,
gleichförmiger Bilder herstellen. Bereits in der Renaissance wurden
deshalb die druckgrafischen Techniken zur Reproduktion von Malerei eingesetzt.
Raffael ließ zahlreiche seiner Fresken durch Marcanton Raimondi reproduzieren.
In den Niederlanden kam der Reproduktionsstich im 16./17. Jh über
große Verlage zu einer wirtschaftlichen Blüte. Die Reproduktionsfähigkeit
der Grafik wächst mit der Fähigkeit zur vorlagengetreuen Wiedergabe.
Die Grenzen liegen zunächst einmal im Bildformat, dann in der
Farbe
und schließlich in der Wiedergabe von Form und
Helldunkel
. Für lange Zeit war druckgrafische Reproduktion beschränkt auf
die beiden letztgenannten Bildeigenschaften, Form und Helldunkel.
Gibt
es eine Lösung ohne den Punkt?
Die Abb. oben zeigt eine Madonna in einem
Ausschnitt aus Dürers Holzschnitt "Christus am Kreuz" von 1493.
Dürer beschränkt sich zu dieser Zeit auf formgebende Umrisse
und parallele Schraffuren, die er in Dichte, Strichlänge und Richtung
stark variiert. Er vermeidet in der Schraffur sich kreuzende Linien. Bei
einer Höhe von 22 cm ist der gesamte Druck etwas kleiner als DIN A4.
Im Vergleich dazu ein Ausschnitt aus der "Auferstehung" von 1511
(große Passion). Mit 39 cm Höhe erreicht das Format fast DIN
A3. Der Variantenreichtum im Lineament hat erheblich zugenommen. Für
mich am verblüffendsten sind die Stellen höchster Dichte, wo
sich wie bei der Federzeichnung die Schraffuren in mehreren Lagen überkreuzen.
Um diesen Eindruck zu erzeugen muß der Holzschneider die winzigen
weißen Zwischenräume mit geradezu unheimlicher Präzision
aus der Druckplatte schneiden. Auf solche Ideen konnte man nur kommen,
weil man den Differenzierungsgrad = die Auflösung einer Federzeichnung
auch im Druck nicht vermissen wollte. Für verschiedene Bildgegenstände,
Oberflächen entwickelt Dürer eine jeweils eigene Lineatur und
vermittelt somit den Eindruck äußerst differenzierter Materialbeschreibung.
Von der ästhetischen Wirkung einer Malerei bleibt der Holzschnitt
dennoch weit entfernt.
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Nochmal
von vorne: Wie kann man in einem Druckgang und mit einer Farbe ein Bild
drucken, das über eine ganze Skala von Halbtönen verfügt?
Das druckgrafische Halbtonbild radikalisiert eine Problemstellung, die schon beim Zeichnen auftritt. Wie erzeugt man mit einem einfarbigen Stift unterschiedliche Töne. Zwei Lösungen bietet die Zeichnung, den differenzierten Druck, den der Zeichner beim Abreiben seines Stiftes auf den Zeichengrund ausübt und die Liniendichte , mit der er seine Spur auf dem Zeichengrund versieht. Der differenzierte Druck wirkt sich vor allem bei weichen Zeichenmitteln deutlich sichtbar aus in der Linienbreite und in der Menge und Deckkraft des Abriebs. Der maschinelle Druck einer Druckerpresse verteilt sich gleichmäßig über den ganzen Druckstock, also scheidet dieses Instrument schon einmal weitgehend aus. Bleibt die Liniendichte als Mittel zur Erzeugung von Halbtönen übrig. Dabei hat der Linienabstand und die Feinheit der Linie z. B. im Holzschnitt eine deutliche Grenze im Material selbst. Das war letztlich wohl auch der Grund, warum die Drucker auf das härtere Metall umstiegen.
Solche Übungen wird in der Schule heute niemand anstreben. Der Holzschnitt scheidet als Druckverfahren nahezu aus und Linoleum lässt eine feine Lineatur nicht zu. Der Linolschnitt wird fachlich in der Hauptsache als flächiges Gegenstück zur linearen Radierung gesehen. In welchem Medium soll man dann überhaupt die Erfahrung einer gezielten Erzeugung von Halbtönen machen lassen? Schraffurübungen kommen im gymnasialen Kunstunterricht schnell an eine Lustschwelle der Schüler. Gelegentlich gibt es einzelne Schüler, manchmal Klassen, die bis zu dem Punkt vordringen, wo die Sache beginnt Spaß zu machen, wo die feine Dosierung, die Musterbildung und das meditative Moment der endlosen Wiederholung und nuancierten Modifikation des Linierens Lustgewinn bereiten. |
1642
erfindet Ludwig von Siegen die Technik des Mezzotinto (das
heißt so viel wie 'Halbton'). Koschatzky nennt ihn einen Amateur,
der Brockhaus kennt ihn nicht einmal. Immerhin schafft es dieser Freizeitkünstler,
die
bisher in der Druckgrafik dominante Linie durch den Punkt abzulösen.
Dies ist ein ganz entscheidender Schritt in Richtung einer erhöhten
Informationsdichte in der Druckgrafik. Außerdem schafft der Punkt
als Darstellungsmittel eine einheitliche und gegenüber subjektivem
Ausdruck neutrale Bildstruktur, die in ihrem zeilenweisen und mechanischen
Aufbau die Grundidee eines maschinellen und technischen Bildverfahrens
vorwegnimmt. Mezzotinto ist ein Verfahren des Kupferstichs und damit ein
Tiefdruck. Beim Tiefdruck werden einer polierten Metallplatte mit einem
scharf geschliffenen Stahlstichel Verletzungen beigebracht, aus denen heraus
der Druck erfolgt. Anders als beim Hochdruck bleibt die druckende Linie
also nicht stehen, sondern wird entfernt. In den Vertiefungen fängt
sich die Druckfarbe, die polierte Oberfläche druckt nicht (kaum) ab.
Ludwig von Siegen hat erst einmal eine Kupferplatte hergestellt, von der
man einen gleichmäßigen Schwarzton hätte drucken können.
Er hat das erreicht, indem er mit einem rechenartigen Stahl, einem "Wiegemesser",
kreuz und quer und in großer Dichte punktförmige Vertiefungen
in die Kupferplatte eingedrückt hat. Eine äußerst mühsame
Arbeit, Koschatzky spricht von drei Wochen Vorbereitungszeit! Die "Zeichnung
entsteht dann dadurch, daß mit einem Polierstahl durch Drücken
und Schaben die aufgerauhte Fläche dort geglättet wird, wo der
Druckton heller werden soll. An den lichten Stellen muß die Platte
glatt poliert werden, was nur bei dem relativ weichen Kupfer gelingt. "Schabkunst"
heißt das Verfahren deshalb auch.
Die Abbildung rechts zeigt ein Schabkunstblatt von J. R. Smith nach G. Romney von 1781, "Mrs. Robinson". Die Abbildung links zeigt eine Aquatinta Radierung von Goya "Hasta la muerte" . 1768 erfindet Joh. Bapt. Le Prince die Aquatinta, als ein Verfahren, um in der Technik der Ätzradierung mit Tonflächen Helligkeiten zu unterscheiden. Noch ist damit kein weicher, stufenloser Tonverlauf darzustellen. Aber das 'Korn' der Aquatinta, das durch Aufschmelzen von Harzstaub auf Metall und Ätzung erzeugt wird, kommt dem späteren Rasterpunkt schon sehr nahe. Der spanische Hofmaler Goya macht sich die neue Erfindung zunutze. Durch unterschiedliche Ätzzeiten erzeugt Goya meist drei Tonstufen. In Gegenüberstellung links das Korn der Aquatinta. Kolophonium oder Asphalt wird fein pulverisiert auf das Metall aufgestäubt und durch Erhitzen des Blechs angeschmolzen. Die zwischen den Körnern frei bleibende Metallfläche wird beim Ätzbad durch Säure angegeriffen und aufgerauht, sodass sie Druckfarbe beim Einfärben aufnimmt. Rechts die Spuren eines Wiegestahls auf Kupfer. In den Vertiefungen bleibt beim Einfärben der Platte die Farbe liegen, von der glatten Oberfläche wird sie wieder weggewischt. Auch innerhalb der Lithografie wächst im 19. Jh. schnell das Bedürfnis nach einer Auflösung von Tonflächen in Punkte. Die 'Tangiertechnik' hängt zusammen mit dem bei der Lithografie häufig verwendeten 'Umdruck' und bestand darin, daß Folien mit aufgeprägten Punkten (Tangierfelle) durch Abreiben des Punktmusters auf den Lithostein verschiedene Strukturierungen und variable Punktdichten ermöglichten. Im Prinzip hat sich dieses Verfahren bei den heutigen Abreibeschriften und -Folien erhalten. |
Geschichte
Unsere von der Bildschirmdarstellung geprägte Vorstellung vom Pixel hat einen unmittelbaren Vorfahren im Rasterpunkt der Autotypie (Selbstdruck). Alle Drucksachen, die uns heute bunt und in hoher Auflösung ins Haus flattern, haben im Prinzip denselben Aufbau aus Rasterpunkten, meist in vier Farben. Diese Erfindung geht zurück auf Georg Meisenbach, Kupferstecher aus München. 1881 hat er die Autotypie als Druckverfahren zum Patent angemeldet. Dabei ist seine Erfindung alles andere als die Tat eines Einzelgängers. Zahllose Schritte gehen seiner Erfindung voraus und folgen ihr bis in jüngste Vergangenheit. Seit Erfindung der Fotografie arbeiten zahllose Tüftler an Verfahren der fotomechanischen Herstellung von Druckplatten. Schon bei Talbot taucht die Idee auf "daß man durch Benutzung eines Gewebes ein Halbtonbild aufteilen und zur Druckplattenätzung brauchbar machen kann" (H.J. Wolf "Geschichte der graphischen Verfahren" Dornstadt, 1990). Lichtdruck (Josef Albert 1868), Heliogravüre (Karel Kli´c 1879 und Autotypie (Georg Meisenbach 1882) sind die bekanntesten Stufen dieser Entwicklung. |
Die Abb. zeigt Georg Meisenbach, den Erfinder der Autotypie, in einer Autotypie. Zur Veranschaulichung des Rasters habe ich sein Auge vergrößert. Meisenbach verwendete ein Linienraster, das er nach halber Belichtungszeit um 90° drehte. Damit entstanden die Punkte unterschiedlicher Größe, die im Druck wie ein Halbtonbild wirken. Für die Autotypie muß also erst einmal ein fotografisches Halbtonbild vorhanden sein. Vom Foto wird ein gerasterter Film (Repro) hergestellt und davon wird ein Druckklischee geätzt. In jeder Stufe ist wieder die Fotografie beteiligt bei der Übertragung der jeweiligen Vorlage auf Film oder die metallische Druckplatte. |
Anwendung
Das Verfahren der Rasterung basiert darauf, daß eine Vorlage mit Hilfe eines Reprorasters (Glasscheibe mit eingraviertem Linienraster) beim Erstellen des Repronegativs in quadratische Flächen aufgeteilt wird, die durch helle Linien voneinander separiert sind. Das einzelne, belichtete Bildelement ist also eine schwarze, punktförmige Fläche, von hellen Linien umgrenzt. Auf dem Weg des von der Vorlage reflektierten Lichts durch ein quadratisches Rasterfeld auf einen Film mit reduzierter Empfindlichkeit werden die verschiedenen Lichtintensitäten umgewandelt in Punkte unterschiedlicher Größe. Das so entstandene, gerasterte Negativ wird wiederum auf eine mit fotografischer Schicht versehene Metallplatte belichtet und geätzt. Ein schwarzer oder farbiger Punkt von bestimmter Größe wird im Druck zusammen mit dem weißen Zwischenraum der Punkte auf der Papieroberfläche im Auge als Helligkeitswert wahrgenommen. Der Verlauf von Dunkel nach Hell sieht vergrößert so aus: Ein Raster, das sich für eine hochwertige Reproduktion eignet, ein '60er Raster' enthält auf einem cm 260 gedeckte und 60 ungedeckte gleich breite Linien und weist damit auf dieser kleinen Fläche 3600 kleine Rasterfensterchen auf, die nur noch mit einer starken Lupe (Fadenzähler) als Punkte zu erkennen sind. Die Autotypie löst im Bilddruck die traditionellen Verfahren des Kupferstichs und Holzschnitts ab. Direkter Vorläufer war der Holzstich, auch genannt Xylographie. Erfinder des Holzstichs ist der Engländer Thomas Bewick. Ein Datum oder Patent für diese Erfindung scheint es nicht zu geben, aber sie fällt wohl noch ins 18. Jh. Wie kann man in Holz so feine Linien schneiden? Bewick war klar, daß die Verfeinerung des Holzschnitts nur über ein möglichst hartes und feinfaseriges Material möglich sein würde. Er verwendete das extrem langsam wachsende Holz des Buchsbaums und er stellte das Brett nicht durch Längsschnitt, sondern durch Quer zum Wachstum geschnittenes Holz, Hirnholz, her. Für ein Brett müssen dazu viele Leisten verleimt und glatt geschliffen werden. Schließlich bearbeitete er das Brett nicht mit dem Messer, sondern dem Stichel, einem kantig geschliffenen Stahl, wie er auch zum Kupferstich gebraucht wird. Dadurch bilden die Linien ein so dichtes Netz, daß sie dem Betrachter nicht mehr als Linien, sondern als Tonfläche erscheinen. Der Holzstich ist eine hochgradig verfeinerte, manuelle Kunstfertigkeit, die den Spezialisten erfordert. In der Literatur wird unterschieden zwischen dem Faksimileholzstich, bei dem sich die schwarzen Linien überschneiden, und dem Tonholzstich , bei dem sich die weißen Linien kreuzen. Demnach zeigt die Abbildung einen Tonholzstich. Der Stecher hat sich zudem die Fotografie zur Hilfe genommen und seine Vorlage auf fotografischem Weg auf den Druckstock übertragen. Fotoxylografie nennt sich das dann. Die Xylografie ist ein Hochdruckverfahren und hatte im Buchdruck den Vorteil, dass Text und Bild in einem Zug abgedruckt werden konnten. |
Ein eigenartiger Zwiespalt existiert zwischen der Bereitschaft das Schraffieren zu erlernen und dem sinnlichen Reiz, den stufenlos verfließende Farben oder weiche Helldunkel Verläufe auf Jugendliche ausüben. So stellen mit der Airbrush erzeugte Bilder für Jugendliche einen außerordentlichen Anreiz dar, auch wenn sie für uns noch so scheußlich sein mögen. Wenn man Schülern zeigt, wie sie beispielsweise in Photoshop Verläufe erzeugen können, kann man einige immer richtiggehend beglücken. Ähnliche Erfahrungen habe ich mit Fotografie gemacht. Simple Fotogramme gewinnen ästhetisch in den Augen der Schüler ungemein durch ein differenziertes Helldunkel, das man einfach durch Belichten, Schablonieren, Abwedeln erzeugt. Die seit dem Expressionismus in der Kunst so verpönte maschinelle Ästhetik hat im Alltag eine außerordentlich hohe Bedeutung. Ein Blick ins Internet zeigt, daß auch beim Gestalten von Bildschirmseiten der Verlauf von Farben eines der wichtigsten Gestaltungselemente darstellt. Der Verlauf ist eine Zwischenwelt, ein Schwebezustand, den ich vergleichen möchte mit anderen Schwebezuständen, dem Anschwellen und Verklingen eines musikalischen Tons (Sustinato), dem Vor-Sich-Hin-Dösen im Lateinunterricht. Im Traum oder im Rausch gibt es solche Schwebezustände und sie berühren uns gefühlsmäßig sanft, tun nicht weh. Ich halte es für pädagogisch klug, den Schülern Werkzeuge in die Hand zu geben, mit denen sie ihre Gefühlslagen zum Ausdruck bringen können. Der Tonverlauf scheint mir dabei ein ganz wesentliches Mittel. |
Die
Abb. zeigt eine Rasterfotografie mit grobem Raster. Der Kopf der
Frau vorne im Bild ist gerade mal mit ca 16 Punkten dargestellt. Das erlaubt
keine Wiedergabe plastischer oder gar stofflicher Eigenschaften. Dennoch
reicht die Auflösung aus, um die Situation einigermaßen einschätzen
zu können. Die Rasterpunkte besitzen unterschiedliche Größe
und Flächendeckung bezogen auf die immer gleiche Fläche des Bedruckstoffs.
Aus dem Zusammenspiel von Punktgröße und unbedrucktem Grund
entsteht der Eindruck von bestimmter Helligkeit an jeder Stelle des Bildes.
Man erkennt deutlich die Umrisse von Personen und Gebäuden und kann
die Tiefenstaffelung des Raums gut abschätzen. Je geringer wir auf
die Bildebene und das Punktmuster focussieren (Leseabstand vergrößern,
Augen zukneifen), desto günstiger ist das für die Lesbarkeit.
Die
Reduktion von Sehschärfe und Helligkeitsaufnahme unseres Auges erzeugt
eine Steigerung in Bezug auf die Lesbarkeit des Abbildungsinhalts.
Das Verfahren der Rasterung basiert darauf, dass das Negativ beim Vergrößern im Durchgang durch ein Reproraster (Glasscheibe mit eingraviertem oder Folie mit aufgedrucktem Linienraster) in quadratische Flächen aufgeteilt wird, die durch helle Linien voneinander separiert sind. Das einzelne, belichtete Bildelement ist also zunächst eine quadratische Tonfläche, von hellen Linien umgrenzt. Durch reduzierte Empfindlichkeit des Aufnahmematerials werden die Rasterfelder umgewandelt in Punkte unterschiedlicher Größe. Warum braucht man die Rasterfotografie, wo doch die Fotografie beliebig viele Grautöne erzeugen kann? Das Raster löst keine fotografischen Probleme, sondern Probleme des Drucks. Das Raster ermöglicht ein scheinbares Spektrum an Tonstufen, erzeugt mit nur einer Druckfarbe, in nur einem Druckgang. Das Rasterfoto ist ganz offensichtlich noch nicht reduziert auf Schwarz und Weiß. Einige der dunklen Punkte wirken Grau und auch einige der hellen Punkte haben einen grauen Schleier. Als Druckvorlage müsste das Foto noch im Kontrast verstärkt werden. |
Der Begriff Digitalisierung gilt uns heute
als Schlusspunkt in der Entwicklung zur Vermessung der Welt
. Dabei greift er in der Wortwahl auf die kleinste Einheit des römischen
Proportionssystems zurück: die Fingerbreite. Was den Griechen ihr
dactylos
war, hieß bei den Römern digitus, ein Maß von ca 2
cm Länge. Begrifflich haben wir uns allerdings weit entfernt von
einem Abzählen mit den Fingern oder einer Maßeinheit Fingerbreite.
Digital vermessen heißt eine Sache beschreiben mit Hilfe der beiden
Zustände elektrischer Ladung: Strom fließt oder nicht, ja oder
nein, 1 oder 0. Das ist eine besondere Art des Vermessens, weil sie nicht
auf der Teilbarkeit des Maßes beruht. Bei einem Meter ist auch ein
halber Meter vorstellbar, bei der Digitalisierung gibt es neben 1 und 0
kein 0,5. Die Parameter der Auflösung sind vor den Maßstab gestellt.
Bei jeder Messung muss also erst einmal festgelegt werden, welche Maßeinheit
durch die Zustände 1 und 0 ausgesagt werden soll. Dann wird das Objekt
danach beschrieben, wie oft und in welcher Reihenfolge die Zustände
1 und 0 vorkommen.
Jedes Pixel muß zunächst bezüglich
seiner Lage im Bild eindeutig zugeordnet werden. Diese Seite, beispielsweise,
wurde für eine Bildschirmauflösung von 800 x 600 Pixel konzipiert.
Bei richtiger Einstellung Ihres Monitors stehen demnach 480000 Bildpunkte
zur Verfügung. Während sich Tabellen und Schrift auch an andere
Bildschirmauflösungen anpassen, sind die Bilder auf eine Größe
festgelegt, meist auf eine Breite zwischen 200 und 300 Pixel bei einer
Auflösung von 72 ppi (pixels per inch = Punkte pro Zoll). Das entspricht
etwa 28 Pixel pro Zentimeter; da ist der einzelne Bildpunkt vom Auge kaum
mehr wahrnehmbar, auflösbar. Bis dahin ist Auflösung eine
Messangabe für die Größe der Bildfläche und ihrer
Elementarflächen.
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Im Gegensatz zur systematischen Verteilung der Rasterpunkte beim fotobasierten Druck setzt der Tintenstrahldrucker auf eine 'unsystematische' Verteilung von Punkten: 'Error Diffusion'. Zur Veranschaulichung habe ich einen 'Grauwerteausdruck' mit dem Kopierer so stark vergrößert, daß die Punktverteilung des Druckers deutlich lesbar wurde. In den dunklen Partien schließen sich die Punkte zu flächendeckenden Zonen zusammen. Die hellen Partien an der Stirn und im Hintergrund bleiben frei von Punkten. Die Zonen mittlerer Helligkeit sind von Punkten überzogen, die in Größe und Form unterschiedlich sind und über ihre unterschiedliche Dichte zusammen mit dem weißen Papierton unserem Auge die Halbtöne vermitteln, die wir von fotografischen Bildern und ihren Abkömmlingen her kennen, und die sich als Lichter und Körperschatten lesen lassen. Andererseits liegt in der Verteilung der Punkte auch eine Perspektivische Wirkung. So bilden die Punkte etwa auf der rechten Backe mehr oder weniger deutliche diagonale Linien mit variablem Abstand. Dass sich diese Abstände gerade im mittleren Bereich der Backe weiten, hinterlässt den Eindruck plastischer Formgebung, Wölbung, genauso, wie man im Bereich Nasenwinkel / Lippe die Verengung der Linien als plastische Vertiefung sieht. Auch die Verdichtung der Punkte auf der linken Seite des Nasenrückens vermittelt eine perspektivische Wirkung: eine mit Punkten gleichmäßig bedeckte Fläche würde, aus einem steilen Winkel betrachtet, die Punkte auf der Fläche zusammenrücken lassen. Helldunkel und Punktstruktur dieses Bildes enthalten also auch Informationen über das Wölbungsverhalten des plastischen Körpers Kopf. |
Etwa
zeitgleich mit Meisenbach entwickelt Seurat eine neoimpressionistische
Malerei, die auf der Idee des Bildrasters basiert. Sein programmatisches
Bild in diesem Sinn war "Ein Sonntagnachmittag auf der Insel la grande
Jatte" von 1886. Allerdings stößt er da mit seiner disziplinierten
Punkttechnik bei seinen Zeitgenossen nur auf wenig Resonanz, weil bereits
die Weichen hin zum Expressionismus gestellt sind, der den Pinselstrich
als Ausdrucksmittel braucht, und sich nicht mit einer fast maschinellen
Malweise begnügen will. Das Verfahren der Punktierung wandert in die
Lithografie ab als manuelle mehrfarbige Reproduktionstechnik. Lithografien
um die Jahrhundertwende arbeiten vielfach mit diesem zeitaufwendigen Verfahren.
Sie basieren auf einem manuellen und visuellen Farbseperationsverfahren.
Für jeden Farbauszug - und es waren meist mehr als drei Farben notwendig
- wurde ein eigener Druckstock hergestellt.
Wie mir scheint, hat sich erst die Popart wieder für das Raster und den Punkt interessieren können, und zwar in der Gestalt von Roy Lichtenstein, bei dem es wieder auftaucht als malerische Reproduktion und ästhetisches Zitat einer Reproduktionstechnik. Ein tiefergehendes Interesse am Raster als einem Wahrnehmungsphänomen entdeckte der Fotorealismus und ganz besonders der Amerikaner Chuck Close. Die hier gezeigte Portraitstudie verwendet den Fingerabdruck als Rasterpunkt. Die Helldunkel-Wirkung tritt aus verschiedenen Gründen ein. Einmal sind die Punkte nicht gleich groß, zum anderen sind sie von unterschiedlicher Schwärzung, allem Anschein nach mehrfach übereinander gedruckt. Das erscheint mir als ein Spiel, das auch Schüler einer Oberstufe zum Nachvollzug am eigenen Portrait reizen könnte. Insbesondere in seinen Zeichnungen, von denen man hierzulande noch wenig gesehen hat, exerziert Close sein Thema in schier endlosen Varianten durch. |
Literatur:
"Vom Holzschnitt zum Internet" Katalog einer Ausstellung im Kunstmuseum Heidenheim 1997 "Geschichte der graphischen Verfahren" von H.J. Wolf, Dornstadt, 1990 "Der Kanon in der ägyptischen Kunst" von H.W. Müller, in: "Der vermessene Mensch", München 1973 |