Das "digitale Bild (Foto)"
Ein theoretischer Exkurs für die Oberstufe zu einem aktuellen Problem

von Uli Schuster

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Das Bild als Datensatz
Wir verwenden den Begriff "digital" seit ein paar Jahren auch im Zusammenhang mit Fotografie - "digitale Fotografie". Fotografie bezeichnet ursprünglich zweierlei, einmal den Prozess der Erzeugung eines Bildes mit Hilfe von Licht, fotografischer Optik und chemischer Entwicklung und andererseits das Ergebnis dieses Prozesses, das fotografische Bild, oder abgekürzt das Foto.
Wo greift hier die Beifügung 'digital'? Der Titel ist eine Provokation, denn der Begriff "digital" beschreibt keine Eigenschaft von Bildern oder Fotos. Bilder im engeren Sinn sind gezeichnet, gemalt, entwickelt, abgezogen oder gedruckt, sie sind groß oder klein, farbig oder schwarz/weiß, aber nicht digital. Wenn hier spezifisches zum "digitalen Bild" ausgesagt werden soll, dann muss zu allererst unser Sprachgebrauch hinterfragt werden, der meist unterschiedslos von Fotografie spricht, ob es sich um einen entwickelten Film, einen echten Abzug oder einen Druck in einer Illustrierten oder in einem Buch handelt. Eigenartigerweise würde kaum jemand auf die Idee kommen, den Text in einer Illustrierten als "Foto" anzusprechen, obwohl auch er auf fotografischem Weg auf die Offsetplatte belichtet wurde. Auch die Offsetplatte aus Aluminium, das Druckklischee aus Stahl, der Gummistempel sind in diesem Sinn "Foto", weil die Technik der Bildübertragung, des fotografischen Abzugs längst nicht auf das Trägermaterial Papier beschränkt ist.

Der Begriff "digital" sagt etwas aus über den Herstellungsprozess eines Bildes, in dessen Verlauf das Bild als ein Datensatz vorlag. "Digital" ist eine Form der Bildbeschreibung, sozusagen eine potentielle Anweisung auf ein Bild. Damit ist das "digitale Bild" gar nicht so verschieden vom fotografischen Bild, das in seinem Entstehungsprozess auch nicht immer ein Bild ist, sondern ein Stadium durchläuft, wo es mehr Anweisung auf ein mögliches Bild ist. Der belichtete, aber nicht entwickelte Film ist kein Bild. Bei sachgerechter Behandlung kann er durch chemische Veränderung zum Negativ und durch Abzug zum fotografischen Bild entwickelt werden.

Mit dem Ausdruck Bild beschreiben wir eine sich über unsere visuelle Wahrnehmung vermittelnde Erscheinung. Unserer visuellen Wahrnehmung allein fällt eine Unterscheidung von fotografischem und ausgedrucktem Bild genauso schwer, wie unsere Augen allein nicht ohne weiteres unterscheiden können zwischen einer realen Erscheinung und einer durch ein Bild vermittelten Realerscheinung. Das macht einerseits unseren Gesichtssinn so anfällig für eine ganze Reihe von Sinnestäuschungen, liefert andererseits unserem Intellekt auch hinreichend Anlässe für Genugtuungen, weil wir nicht auf jede visuelle Erscheinung hereinfallen müssen, weil nämlich unser mit Erfahrung aufgefüllter Intellekt das bloße Bild zu durchschauen gelernt hat, oder weil unsere Apparatur zur Wahrnehmung der dinglichen Welt nicht allein auf den Gesichtssinn angewiesen ist, sondern über den Geruchssinn, das Gehör, den Tastsinn, das Gedächtnis und viele andere Instrumente verfügt, die sich gegenseitig so ergänzen, daß es einer Laborsituation wie etwa des Kinos bedarf, um unsere Wahrnehmung auf Auge und Ohr zu reduzieren. Niemand wird ein Foto, das er in der Hand hält, für den Gegenstand halten, der auf ihm abgebildet ist, den es repräsentiert.

Wenn wir vom digitalen Bild sprechen, interessiert nicht in erster Linie seine Erscheinung, sondern der für seine Entstehung verantwortliche Datensatz

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Bild und Geometrie
Dass sich Objekte mit Hilfe von Mathematik als Bilder beschreiben lassen, ist eine schon länger bekannte Tatsache. Allerdings besagt diese historische Tatsache noch nichts darüber, was am Objekt mit Hilfe der Mathematik zum Bild führen sollte. Wenn Leonardo in seinem Traktat über die Malerei diese in die Nähe der Mathematik rückt, dann denkt er dabei an Proportion und Perspektive. Dürers Modell von der Entstehung einer perspektivischen Abbildung (s. Abb) zeigt, dass im Prinzip jedem Gegenstandspunkt ein Bildpunkt zugewiesen werden kann. Aber so hat Dürer seine Bilder nicht gemacht. Der erfahrene Zeichner perspektivischer Ansichten muss nicht jedem Gegenstandspunkt einen Bildpunkt zuordnen, vielmehr sucht er nach ganz wenigen Kernpunkten und bildet seine Konstruktion im übrigen aus einer Reihe solcher Schlüsselpunkte und Linien mit dem Bewusstsein ihrer gesetzmäßigen Beziehung zueinander, die ihm ein hinreichendes Gerüst für eine Darstellung seines Bildgegenstands liefern: Horizont, Fluchtlinien, Fluchtpunkte, Kanten, Ecken, Konturen.
Auch die Fotografie bildet nicht zu jedem Objektpunkt (wie wäre der schon zu definieren?) einen Bildpunkt. Vielmehr beschränkt sie die Zahl der möglichen Bildpunkte auf die Zahl der lichtempfindlichen Moleküle in der fotografischen Emulsion auf dem Bildträger. Diesen Prozess nennen wir Auflösung. Filmisches Material hat ein begrenztes Auflösungsvermögen. Das gilt im übrigen auch für unser Sinnesorgan. Auch das Auge hat ein begrenztes Auflösungsvermögen. Solange das Auflösungsvermögen unseres Auges vom Auflösungsvermögen eines künstlichen Bildmittlers übertroffen wird, besteht für unser Auge die Möglichkeit der Täuschung und wir halten u. U. für ein reales Ding, was nur eine bildhafte Repräsentation eines realen Dings ist.
Der belichtete Film enthält eine Anweisung auf ein Bild, allerdings ist diese Anweisung nicht vom Film selbst, von der fotografischen Schicht lösbar. Sie ist auf Gedeihen oder Verderben mit ihr verbunden. Das ist beim digitalen Bild anders. Der Datensatz, den eine Digitalkamera oder ein Scanner auf einen Datenträger schreibt,  besitzt eine eigene Identität. Er wird nicht durch chemische Umformung zum Bild entwickelt, verändert seine Form vielmehr überhaupt nicht, nachdem er seine Anweisung an ein Ausgabemedium übermittelt hat.
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Bilder durch Zahlen beschreiben
Digitus hieß das alte römische Maß für eine Fingerbreite. Als kleinstes Maß bedeutete es wohl auch "ziemlich klein". Mit "digital" bezeichnen wir heute ein Messverfahren nach dem binomischen System, das nur zwei Größen kennt, in Ziffern ausgedrückt 0 und 1. Da die Messungen elektronisch erfolgen, kann man auch sagen: Strom fließt oder Strom fließt nicht. Wie kann man mit so einem primitiven System ein Bild beschreiben? Das Messgerät, z. B. ein Scanner, benötigt, bevor er in Aktion tritt eine Anweisung dafür, was er durch seine einfache Art der Differenzierung feststellen soll. Diese Anweisungen, die in gewisser Weise den Schlüssel für die Interpretation der dann folgenden Kolonnen aus Nullen und Einsen liefern, bilden im digitalen Datensatz das "Format". BMP ist beispielsweise so ein Format für Datensätze von Bildern. BMP ist abgeleitet aus dem Begriff Bitmap und beschreibt ein Bild als eine in Pixel gegliederte Fläche. Wenn wir mit Lineal und Stift eine Bildfläche in gleich große quadratische Felder unterteilen wollen, müssen wir wissen, wieviele Felder horizontal wie vertikal wir anlegen sollen. Beim Scannen wird dies ausgedrückt in dpi = dots per inch. Das ist also bereits eine Frage des Formats. Wenn wir nur die Zustände Weiß und Schwarz unterscheiden wollen, benötigen wir zur Beschreibung jedes einzelnen Bildelements nur ein Bit ( 0 oder 1 ). Für eine annähernd fotografische Bildwirkung in schwarzweiß benötigen wir mindestens 8 Bit = 1 Byte für jeden Bildpunkt. Eine achtstellige binomische Zahl kann bereits 28 = 256 Unterscheidungen darstellen. Verwendet man zur Beschreibung der drei Farbkanäle Rot, Grün, Blau je 1 Byte, so erhöht sich die Darstellbarkeit bereits auf 3 x 256 Töne u.s.w. Wenn wir heute mit Photoshop Bilder scannen, dann legen wir in der Regel Wert auf eine Farbtiefe von 32 Bit. Bis zu 16,7 Millionen Farbunterscheidungen kann ein Computermonitor aus den drei Lichtquellen RGB darstellen. Für das gedruckte Bild allerdings ist diese optische Mischung kein brauchbares Rezept.
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Format und Codierung
Um die Anweisung zur Erzeugung eines Monitorbildes umzuschreiben in eine Anweisung für ein gedrucktes Bild, muss das Farbsystem von der additiven Mischung zur subtraktiven Mischung gewechselt und der Code entsprechend umformuliert werden. Während am Monitor die Farbe Weiß durch Mischung aller drei Grundfarben gebildet wird, entsteht beim Druck durch Überlagerung von Rot, Grün und Blau ein dunkler Ton, der sich Schwarz annähert. Beim Farbdruck wird heute in der Regel mit vier Druckfarben, CMYK (C für Cyan; M für Magenta; Y für Yellow; K für Key) gearbeitet, zu denen Weiß als Trägerfarbe hinzukommt. Diese Konvertierung der Farbsysteme von den drei Kanälen des RGB - Bildes auf die vier Kanäle de CMYK - Bildes macht der Rechner für uns auf Mausklick.

Zusammengefasst kann man sagen: Das digitale Bild stellt einen Datensatz dar, der aus zwei wesentlichen Bestandteilen gebildet wird: dem Dateiformat und den Bytes für jeden einzelnen Bildpunkt. Da jedes Pixel in der Bitmap exakt zu lokalisieren ist und sein Code nicht nur lesbar, sondern auch schreibbar ist, lässt sich jedes digitale Bild eines bestimmten Dateiformats in jedes andere Bild desselben Dateiformats umwandeln. Somit wird der Bildschirm zum universellen Erscheinungsort für jegliches Bild. Ein und derselbe Datensatz liefert jedoch durchaus unterschiedliche Bilder,  je nachdem auf welchem Medium er ausgegeben wird. Druck, Bildschirm, Projektionsfläche haben - genau besehen - reichlich verschiedene Erscheinungsqualitäten und definieren auch durch ihre Rezeptionsweise ein unterschiedliches Wahrnehmungsverhalten. Insofern bleibt für unsere Wahrnehmung die digitale Biografie eines Bildes in der Regel latent, übrigens genauso verborgen, wie wir gedruckte Bilder auf hoch glänzendem Illustriertenpapier in der Regel als Fotos ansprechen, auch wenn sie das beileibe nicht sind.

Durch Veränderung des Dateiformats kann die Darstellung eines Bildes vollkommen unlesbar umcodiert werden. Andreas Müller-Pohle hat 1995 in der Ausstellung "Fotografie nach der Fotografie" eine Arbeit "Digitale Partituren" gezeigt, wo er auf 8 Tafeln einen Scan des Urbilds der analogen Fotografie, nämlich Niépces "Blick aus dem Arbeitszimmer" von 1826 in unterschiedlichen Verschlüsselungen und Typographien präsentierte.

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Diesem Beispiel folgend habe ich hier eine Abbildung von Marcel Duchamps Fountain statt in ein Bildprogramm in einen Texteditor geladen. Kein Mensch kann sich aus diesem Code eine  bildhafte Übersetzung vorstellen. Der Computer aber kann. Er hatte darüber hinaus keinerlei Problem, denselben Code mit einem anderen Zeichensatz zu versehen, z. B. wie folgt:
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Ein digitales Bild muss nicht die Struktur einer Bitmap besitzen. Eine der Alternativen ist die vektorielle Grafik, die in speziellen Fällen eine wesentlich sparsamere Beschreibung eines Bildes liefert. So kann eine Gerade schon durch Beschreibung zweier Punkte erfolgen. Für Bilder geometrischen Ursprungs, z. B. Schriftzeichen, war die Vektorgrafik schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Digitalisierung die ökonomischere Lösung.
Damit ist ein Problem angesprochen, das heute im Kern jedes Digitalisierungsprozesses steht, die Reduktion von Daten. Wo komplexe physikalische Phänomene wie Bilder oder Töne digitalisiert werden sollen, stellt sich schnell die Frage nach der für ein bestimmtes Ziel notwendigen Auflösung bzw. nach einer Komprimierung von Daten in Passagen des Datensatzes, wo keine messbaren Unterscheidungen vorliegen. Die Kompression von Daten macht in der Tendenz eine Eigenschaft zunichte, die dem digitalen Bild oben zugewiesen wurde, sie verhindert die Adressierbarkeit jedes einzelnen Bildelements, weil sie Gruppen von Bildelementen, im Fall von Video sogar mehrere aufeinanderfolgende Bilder zusammenfasst.

Bildformate
Schon das fotografische Bild ist im Film über sich selbst hinausgewachsen. Für den Betrachter eines Fotos und eines Films waren statisches und bewegtes Bild allerdings zwei paar Stiefel, durch eine völlig verschiedene Rezeptionssituation voneinander weit entfernt. Schon bei Video verliert sich der Unterschied dadurch, dass der Ort für das Erscheinen des statischen wie des bewegten Bildes der Bildschirm ist. Ein vernünftiges Standbild scheiterte bei Video allerdings daran, daß das Videoband und seine Abtastung durch die Kopftrommel auf Bewegung angewiesen sind. Hier hat erst die digitale Speichertechnik zu einer befriedigenden Lösung geführt. Beim digitalen Bild schrumpft der Unterschied zwischen bewegtem und statischem Bild, zwischen Video und Animation zu einem Unterschied im Dateiformat und im beanspruchten Speicherplatz. Das ist zwar nicht unerheblich für denjenigen, der mit den Bildern arbeitet, sie ausgeben oder bearbeiten will, aber für die Wahrnehmung erscheinen beide als von derselben Art.

Ein wahrnehmbarer Unterschied zwischen verschiedenen Dateiformaten beruht in der Regel auf dem Unterschreiten einer Schwelle in der Auflösung oder einem Überschreiten der Sichtbarkeitsgrenze bei der Kompression von Daten. Das kann ein Hinweis sein auf einen technischen Prozess oder einen ökonomischen Rahmen für eine Bildproduktion. So geben sich Pixelgrafiken unter einer Auflösung von 8 Bit als solche zu erkennen. Vektorgrafiken erkennt man z. B. am Fehlen natürlicher Differenzierung in Form, Licht und Textur, oder anders gesagt, einem Überhang an Geometrie in der Form, an Künstlichkeit in der Beleuchtung sowie übertriebener Glätte und Glanz der reflektierenden Oberflächen. Bei der Kompression von Farbverläufen erzeugt das GIF - Format sichtbare Tonsprünge, während das JPG - Format ab einer Kompression unter 50% zu sichtbaren blockhaften Artefakten führt. Jedes Dateiformat für Bilder wurde auf einen bestimmten Zweck hin entwickelt und optimiert. Für einen hochwertigen Druck beispielsweise sind komprimierte Bilddateien kaum tauglich  Eine entscheidende Qualität des digitalen Bildes ist es aber, dass Formate konvertiert, d. h. umgerechnet werden können.

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Apparate erzeugen Bilder
Das fotografische Bild entsteht durch Reflexion und Projektion von Licht. Objekte reflektieren an ihren Oberflächen Licht oder senden es selbst aus. Die Linsen eines Objektivs fangen einen Teil dieser Strahlung ein, bündeln ihn und projizieren ihn für eine messbare Dauer auf die lichtempfindliche Schicht eines Filmfensters. Fotos enthalten von der Wirklichkeit nur das, was Oberflächen reflektieren und in Projektionen eingefangen wird. 

Der Auflicht- oder der Durchlichtscanner enthält einen CCD-Zeilensensor, der mit Hilfe eines Motors zeilenweise über die künstlich ausgeleuchtete Vorlage (Drucksache oder Film) bewegt wird und dabei das reflektierte Licht in festgelegten Abständen entlang einer geraden Linie misst. Der digitale Fotoapparat projiziert sein Objekt mit Hilfe eines Objektivs auf einen CCD-Flächensensor, auf dem eine begrenzte Zahl lichtempfindlicher Sensoren untergebracht ist. Das hat gegenüber dem Flachbettscanner den Vorteil, dass bei der Fotografie möglicherweise ein natürliches Licht bereits für hinreichende Reflexion der Objekte sorgt und dass die fotografische Optik einen ganzen Raum projiziert. Der Flachbettscanner kommt ohne Projektion aus, ist im Aufnahmevermögen allerdings deshalb beschränkt auf ebene Oberflächen von einer begrenzten Größe. Auch Fotografien sind ohne fotografische Optik herstellbar. Christian Schad und Man Ray gingen in die Fotografiegeschichte ein mit Fotogrammen. Hier waren es der Objektschatten oder eine Durchlässigkeit für Licht, die zu Abbildungen führten. Auch Kontaktabzüge sind in diesem Sinn Fotogramme, Fotos ohne Objektiv. 

Eine dritte Variante ist der 3D-Scanner.

Digitalisierung ist eine universelle Methode zur Erfassung von Daten und deshalb können digitale Bilder auch auf anderem als dem optischen Weg in einen Datensatz gelangen, z. B. durch Aufzeichnung von Bewegungen eines zeichnenden Stifts, einer Eingabe per Maus oder Tastatur oder auf rein rechnerische Weise, durch den Import von Daten aus einem anderen Datensatz.
Datensätze allein 'interessieren' bei der digitalen Bildbearbeitung nur den Rechner. Der Operateur hat damit wenig zu tun. Seine Dunkelkammer ist in der Hauptsache das Programm, die Software, mit deren Hilfe er in die Bilder eingreift. Eine digitale Dunkelkammer (engl. photoshop), - früher ein richtiger Raum mindestens in der Größe eines Badezimmers -, passt heute auf eine dünne Scheibe von 12 cm Durchmesser. Vom Scannen bis zum Druck steuert Software all die Rechenoperationen die am digitalen Datensatz jene Veränderungen bewirken, die wir bereits aus der fotografischen Dunkelkammer oder auch nur aus der fotografischen Literatur kennen, die den meisten Laienfotografen allerdings kaum praktisch zugänglich waren. Wer dann doch in diesem Bereich 'experimentiert' hat, tat das oft in dem Gefühl, hiermit den 'Bereich des Künstlerischen an der Fotografie' betreten zu haben, weil die Ergebnisse schlecht zu steuern waren und viele Effekte deshalb einmalig und nicht wiederholbar schienen. Die digitale Dunkelkammer des Photoshop entlarvt diese Vorstellung als Trugbild. Jede Operation des fotografischen 'processing' folgt den eingegebenen Parametern des Operateurs, der als Laie vielleicht nicht versteht, was er da eingibt, der allerdings mit der im Programm implementierten Funktion 'history' jeden Schritt nachvollziehbar und wiederholbar dokumentiert bekommt. In einigen Rechenoperationen geht der digitale Photoshop über die Möglichkeiten der chemischen Dunkelkammer und der manuellen Retusche hinaus und ermöglicht uns neuartige Bildwirkungen.
Über die Analogie von fotografischer und digitaler Dunkelkammer hinaus macht Software die Simulation des gesamten fotografischen Aufnahmeprozesses möglich. Ein Programm wie 3D Studio integriert neben den Möglichkeiten der Simulation dreidimensionaler Objekte und ihrer Bewegungen auch die Simulation deren Aufnahme mit Kameras, die man im virtuellen Raum beliebig platzieren und bewegen kann, deren optische Charakteristik sich frei definieren lässt. Lichtquellen sind wie auf dem Steuerpult einer Theaterbühne frei setzbar und aussteuerbar. Die Simulation eines natürlichen Objekts, natürlicher Bewegungen, natürlichen Lichts aus seinen vielfältigen Parametern ist allerdings ein mühseliges, zeitraubendes, rechenintensives und auch theoretisch schwieriges und insgesamt teures Unterfangen.
Galt der Malerei am Anfang des 20. Jhs., die Nachahmung der Wirklichkeit als anspruchsloses und verachtenswertes Ziel, so erscheinen heute umgekehrt viele Sichtbarmachungen der bildenden Kunst als platte und anspruchslose Aktionen, die ein Zeitgenosse mit offenen Augen und funktionierendem Verstand überall im wirklichen Leben auch selbst finden kann. Simulation von Wirklichkeit hingegen bleibt ein technisch höchst anspruchsvolles, teures, zeitintensives, erfinderisches und wissenschaftlich anspruchsvolles Projekt.

Fotografie und Wirklichkeit
Zu Beginn des 20. Jhs konnte die Malerei sich von der Fotografie noch durch den mit Stolz vorgetragenen Satz absetzen: "Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar"( Paul Klee, "Das bildnerische Denken", 1964). Dieser Unterschied existiert heute nicht mehr. Während im Bereich der bildenden Kunst das Moment der Anschaulichkeit bis hin zur Nicht-Sichtbarkeit (Walter de Maria - "Vertikaler Erdkilometer") schrumpft, wächst der Fotografie im Bereich des Makrokosmos, der Diagnose und der Simulation zunehmend die Aufgabe zu, Dinge sichtbar zu machen, für die wir entweder kein Wahrnehmungsorgan besitzen, oder die schlichtweg nur als Vorstellung, Projektion auf eine zukünftige Objektivation existieren. 

Muybridge konnte 1887 mit Hilfe der Fotografie einen bis dahin ungeklärten, weil nicht sichtbaren Sachverhalt wahrnehmbar machen. Frage und Inhalt einer hochdotierten Wette war, ob ein trabendes Pferd zu einem bestimmbaren Zeitpunkt mit allen vier Beinen den Boden verlässt. Für das Auge scheint diese Frage wegen der zu geringen Auflösung von Bewegung nicht entscheidbar. Die Fotografie konnte diesen Zeitpunkt nicht nur auflösen, sondern beweiskräftig festhalten.
Antonioni hat 1966 um das Problem der Grenze zwischen visueller Wahrnehmung und Sichtbarmachen durch die Fotografie einen Film gemacht, "Blow up". Eine Fotografie hebt hier die Spuren eines Verbrechens in den Bereich der Wahrnehmung, das dem Fotografen selbst als Augenzeuge verborgen blieb. Die Vergrößerung eines mehr oder weniger zufälligen Schnappschusses führt auf die Spur eines Mordes. Antonioni kehrt zur Verblüffung des Zuschauers das Verhältnis von Fotografie und Wirklichkeit um. Bei ihm ist es die Realität, die retuschiert und manipuliert wird, um das zu verbergen, was die Fotografie mit Hilfe der Vergrößerung scheinbar preisgibt und als wirklich behauptet. David Hemmings und Vanessa Redgrave in den Hauptrollen.

Das digitale Bild wird von den meisten Autoren in vorderster Linie unter dem Aspekt der Manipulierbarkeit diskutiert. Das halte ich für eine müßige Diskussion, die schon in den 60er Jahren in Bezug auf die Fotografie geführt wurde. Das dokumentarische Foto stellt seit jeher nur einen Aspekt der Fotografie dar. Den Beweis lieferte 1838 bereits eine Aufnahme des Boulevard du Temple von Daguerre. Die belebte, verkehrsreiche und bevölkerte Straße erscheint unter dem Aspekt der für die Belichtung damals notwendigen Zeit als leerer Raum, in dem nur die statischen Elemente, wie Häuser und Bäume erfasst sind und - ein Schuhputzer mitsamt seinem Kunden. Letztere deswegen, weil sie für die Dauer der Aufnahme relativ bewegungslos auf ihrem Platz verharrten (Nerdinger, "Vom Klassizismus zum Impressionismus", S. 183). Portraitfotos waren zu Beginn der Fotografie wegen des geringen zeitlichen Auflösungsvermögens lichtempfindlicher Schichten nur möglich mit komplizierten Stativen, die die Personen in ihren Haltungen fixierten. Die Fotografie ist von Anfang an eine Inszenierung von Wirklichkeit, wodurch aber ihr dokumentarischer Aspekt keinen Schaden leiden muss.

Zur ästhetischen Differenz zwischen Fotografie und digitalem Bild
Gibt es einen wahrnehmbaren Unterschied zwischen digitalem und fotografischem Bild? Dieser Frage müssen wir uns von zwei Seiten her annähern. Zum einen vom Aspekt des Betrachters von Bildern, zum anderen von der Warte des Produzenten von Bildern. Beide Seiten haben eine unterschiedliche Wahrnehmung, weshalb wir in der Kunsterziehung ja auch das produktive Herangehen ans Bild für eine ganz wichtige Voraussetzung zu einem reflektierten Betrachten von Bildern halten.
Die Sicht des Betrachters
Digitalen Bildern muss man ihre Vergangenheit als Datensatz nicht ansehen. Der Prozess der Digitalisierung wurde und wird technologisch vorangetrieben mit Zielrichtung auf ein möglichst ökonomisches und perfektes Mittel der Simulation technischer und ästhetischer Prozesse im Bereich der Bilderzeugung und Bildvermittlung. Wenn also der Bildproduzent seine digitalen Mittel ausreizt, dann kann er einen Datensatz auch durch Belichtung auf Film oder Fotopapier heute so ausgeben, daß das menschliche Auge und der Tastsinn hier keinen Unterschied mehr wahrnimmt und auch optische Verlängerungen des Auges dürfen da ihre Probleme haben.
Andererseits ist der Datensatz, den ich das digitale Bld genannt habe, nicht festgelegt auf ein bestimmtes Erscheinungsbild. Sein "natürlichstes" Erscheinungsbild ist die Oberfläche des Bildschirms. Hier wird sowohl seine Wandelbarkeit als auch seine Flüchtigkeit augenfällig. Der Bildschirm schließt gleichzeitig aus, dass es sich bei dem gesehenen Bild um eine Fotografie handelt. Aber eine Entscheidung darüber, ob das Bildschirmereignis sich einem analogen Videosignal oder einem digitalen Datensatz verdankt, kann das Auge allein nicht mehr entscheiden. Ein mit der Videokamera abgefilmtes Foto ist - auf dem Bildschirm dargestellt - jedenfalls kein Foto mehr. 
Im digitalen Bild stecken jedoch auch andere Erscheinungsweisen als die der Simulation von Fotografie und nicht zuletzt auch neue Inhalte. So kann man die niedrige Auflösung auch als ästhetischen Reiz einsetzen, was mit unterschiedlichem Resultat auch schon aus der Effektfotografie bekannt ist. 
Wenn hier von Bildern die Rede ist und auch Bilder zur Veranschaulichung des Beschriebenen herhalten müssen, dann ist ganz unverkennbar stets das relativ enge Bildverständnis des Kunsterziehers vorausgesetzt. Dabei müsste man hier auch einmal aussprechen, dass beispielsweise das Bildkonzept der Perspektive weit über die bildende Kunst hinausreicht, dass es in Stadtbildern seit dem Barock unser Leben und unseren Verkehr organisiert hat, in der Optik den Blick ins Weltall ermöglicht hat und als Denkform und logisches Konstrukt im Webstuhl genauso steckt wie Formen der Organisation unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Wenn wir bei Fotografie nur die Bilder unseres letzten Urlaubs assoziieren, bleibt auch die Idee vom fotografischen Bild kümmerlich, da der ganze Bereich der visuellen Kommunikation von der Drucktechnik bis zum Fernsehen aus der Technologie der Fotografie lebt oder entstand, viele Fertigungsprozesse von der elektronischen Platine bis hin zu Verfahren der Materialprüfung auf fotografischen Verfahren aufbauen, der ganze Bereich medizinischer Diagnostik vom Gedanken der Fotografie buchstäglich durchdrungen ist - Röntgenfotografie, Infrarotfotografie, Laserfotografie, Computertomografie und Szintigramm ...
Wie die Perspektive so ist auch die Fotografie mit den Ideen der Projektion, mit dem Denken in Kategorien wie Positiv und Negativ,  Entwicklung und Unterbelichtung, zur Metapher für menschliches Denken geworden und fand vielfachen Niederschlag in unserer Sprache und unserer Wahrnehmung.

Die Sicht des Produzenten
Das Erlebnis der Entwicklung eines Bildes in der Dunkelkammer hat einen hohen sinnlichen Reiz und eine magische Qualität, von der im Unterricht eine hohe Motivation ausgeht. Der eigene Raum, das Labor, das Arbeiten im Dunklen, der Umgang mit Chemie und der technischen und teuren Apparatur für die Aufnahme und die Vergrößerung, die glänzende Oberfläche des Fotopapiers, die abstrakte, körperlose Beschaffenheit des Lichts als Bildgeber vermitteln sinnliche Qualitäten von ganz eigener Art. Dabei reicht der stumpfe Gebrauch bloßer Betrachtung in den meisten Fällen dem Produzenten von fotografischen Bildern nicht aus. Lichtbilder wollen gelesen und interpretiert werden. Schon eine simple Infrarotfotografie versteht sich nicht mehr von selbst. Dem kundigen Augen des Produzenten erschließen sich darin Informationen, die anders kaum erhältlich wären.
Ganz offensichtlich hat aber auch die Arbeit am Computer, seinen Ein- und Ausgabeinstrumenten einen eigenen sinnlichen Reiz, sein Reagieren auf kleinsten Tastendruck, die Schnelligkeit seiner Operationen und Vielfalt des Feedback bis hin zum Bombardement des Auges durch die Strahlung des Bildschirms, ohne dass der eine ein Äquivalent oder ein Ersatz für den anderen sein könnte. Bezogen auf den Unterricht im Fach Kunst gilt für beide Produktionsweisen, dass sie einem Gestaltungstyp entgegenkommen, der seine Motivation am bildnerischen Tun nicht vorwiegend aus einer Geschicklichkeit der Hand oder der Koordinationsfähigkeit von Hand und Auge bezieht. Fotografie oder Computerarbeit erschließen dem Kunstunterricht möglicherweise eine Klientel, die bei tradtionellen Lernbereichen wie Malen oder Zeichnen geringere Erfolgsaussichten haben.

Digitalisierung - mehr als eine neue Form für alte Inhalte
Im Prozess der Digitalisierung erfährt ein Bild neben seiner formalen Veränderung auch eine inhaltliche Veränderung. Der Datensatz, der zu einem Bild werden kann, erlaubt den operativen Zugriff auf jede im Dateiformat festgeschriebene Bildeigenschaft für jedes Pixel einzeln oder für eine nahezu beliebig definierbare Menge von Bildelementen zusammen. Ein guter Fotograf konnte konnte je schon mit seinen Bildern vieles anstellen, aber das digitale Bild ist im allgemeinen Verständnis geradezu zum Synonym für Manipulation und Veränderbarkeit geworden, ganz im Gegensatz zum Foto, das von Geburt an mit dem heiligenden Schein der Objektivität umgeben war. Ich halte den Begriff der 'Manipulation' für einen Kampfbegriff gegen Aufklärung und für einen sachlichen Diskurs unbrauchbar. Wie man bei Antonioni sieht, falls man es nicht schon vorher ahnte, lässt sich Wirklichkeit ebenso manipulieren wie eine Fotografie. Ich glaube, daß eine Unterscheidung von analoger Fotografie und digitaler Fotografie insofern gemacht werden kann, als erstere mehr einen repräsentativen Charakter besitzt, während letztere eher einen simulativen Charakter trägt.

Bei der Fotografie sehe ich den Prozess der Aufnahme im Vordergrund und damit auch den direkten Kontakt des Fotografen als Augenzeuge zum Objekt seiner Lichbildnerei und zu seinem Aufnahmeapparat. Der Fotograf setzt einen Ausschnitt einer real existierenden Wirklichkeit zu einem realen Zeitpunkt ins Bild, inszeniert auf diese Art Realität, aber stellt in jedem Fall ein Abbild her, das Wirklichkeit repräseniert. Der chemische Prozess der Entwicklung dient in der Hauptsache dazu, dieser Repräsentation zur Bildhaftigkeit zu verhelfen, aber er ist räumlich wie zeitlich nicht an den Prozess der Aufnahme gebunden, die Bilder entstehen im Labor, die Aufnahme passiert vor Ort.
Schon bei Video fällt der Ort der Aufzeichnung nicht mehr notwendig mit dem Ort der Aufnahme zusammen. Die Umwandlung des Bildes in elektrische Impulse liefert die Voraussetzung für einen Transport über weite, sogar kosmische Strecken. Die zeitliche Differenz zwischen Aufnahme und Darstellung hingegen schrumpft ins Unerhebliche. Fernsehen kennt keinen Unterschied mehr zwischen nah und fern, wir sind nicht Augenzeuge sondern werden zu Empfängern einer Sendung, zu Zuschauern bei der Übertragung eines Programms aus scheinbar zeitgleichen Handlungen über alle räumlichen Grenzen hinweg. Beim Programm unterscheiden wir zwischen Live - Sendung und Aufzeichnung. So spannend dieser Unterschied im einzelnen Fall sein mag, so wenig signifikant ist er für das Fernsehen. Im Augenblick, wo im Fernseher das Tor fällt, fühlen wir uns live dabei und jubeln,  möglicherweise um Minuten, Stunden, Tage zeitversetzt mit dem realen Ereignis, aber zeitgleich mit den in der Sendung konservierten Augenzeugen vor Ort.

Das digitale Bild scheint auf den Vorgang der fotografischen Aufnahme nicht angewiesen. Was gemessen werden kann, das kann in der Regel auch berechnet und zu einem Bild geformt werden. Berechnen heißt Dinge und Szenarien entwerfen und Wirkungen prognostizieren. Wie genau der Entwurf und die Prognose ausfallen, das hängt davon ab, ob die Parameter der Rechnung richtig und vollständig erfasst sind. Dass Bilder als Entwürfe den wirklichen Dingen vorauseilen, ist ein notwendiger Zug menschlicher Existenz. Dass Bilder der Wirklichkeit berechenbar sind, das hat meines Wissens zuerst Brunelleschi gezeigt, als er ein gezeichnetes Bild des Baptisteriums in Florenz mit dem realen (Spiegel-) Bild des Domplatzes zur Deckung brachte (die Abbildung wurde entnommen aus Jörg Sellenriek, "Zirkel und Lineal", 1987). Wenn heute im Kino 3D - Simulationen in Realfilm eingearbeitet werden, dann geschieht dies mit einer für unser Auge nicht mehr unterscheidbaren Grenze zwischen Repräsentation und Simulation. Allein unsere Erfahrung sagt uns, dass wir im Film mit allem rechnen können. Die Simulation führt uns eine Prognose, Vorwegnahme von Realität vor Augen. Wir können, um im Bild zu bleiben, das Tor bereits bejubeln, bevor es fällt.
Was beim Fußball relativ uninteressant ist und im Kino bloß die Nerven kitzelt, ist in anderen Bereichen menschlicher Existenz von lebensentscheidender Bedeutung, die Wetter- und Klimaprognose, die medizinische Vorsorge, die Berechnung von Materialfestigkeit, Erdbebensicherheit, die Schulung von Piloten oder Raumfahrern, die Planung von industriellen Fertigungsprozessen oder ökonomischen Abläufen usw: Die Simulation eilt dem wirklichen Leben voraus und sagt uns, wie wir die Wirklichkeit manipulieren müssen, wenn wir bestimmte Ziele erreichen wollen, die sich nicht von selbst einstellen.

Literatur
http://www.ttzsh.de/multimedia/muybridg.html
Seite über Eadweard Muybridge, 1887, zur Frage:
Hat ein trabendes Pferd stets ein Bein am Boden oder befinden sich zu einem bestimmten Zeitpunkt alle vier Beine in der Luft? Die Belichtung von zunächst 12 bis 24 Kameras wurde automatisch durch das Pferd ausgelöst.