Zur Rolle des 
Projektionszeichnens 
bei erzählenden und beschreibenden Aufgaben

U. Schuster 2004

Der Begriff Perspektive beschreibt eine ganze Gruppe von Darstellungsverfahren, die man in der Didaktik des Fachs Kunst besser auseinanderhalten sollte, weil sie sowohl begrifflich als auch methodisch sehr unterschiedliche Erkenntnisprozesse und Herangehensweisen implizieren. Der vorliegende Aufsatz möchte einen Beitrag liefern zu einem Verständnis der didaktischen Elemente projektiven Zeichnens vor dem Hintergrund historischer Entwicklungen. Dabei geht es letzlich auch um eine entwicklungspsychologische Frage: Wann kann oder soll man Kindern und Jugendlichen sinnvollerweise welche Elemente des Projektionszeichnens als Lernstoff anbieten.

Ichnographia und Orthographia
Landkartenbild und Standlinienbild werden in der Literatur der Kinderzeichnung (z.B. bei H.G. Richter) als Bildformen in der Schemaphase beschrieben. Als Bildsorten eines beschreibenden Bildkonzepts kann man das Landkartenbild mit dem Grundriss und das Standlinienbild mit dem Aufriss vergleichen. Als Bildschemata geben sie nicht in erster Linie einen Gesichtseindruck wieder sondern bedeuten eine Symbolisierung. So symbolisiert das Landkartenbild eine Bewegung im Raum gleichsam als Durchschreiten einer Landschaft, bei dem die Lage der Bildobjekte zueinander als Abstände erfahren werden, während das Standlinienbild durch eine Nebeneinanderreihung der Bildobjekte die charakteristischen Objektansichten symbolisiert, in der Regel ohne Berücksichtigung ihrer Lage und Staffelung im Raum. In der reinen Form sind beide in der Kinderzeichnung eher selten. Oft finden sich beide Formen vermischt, wie etwa in der Darstellung des Schulwegs durch eine 10jährige Schülerin, die Aufsicht und Ansicht in alterstypischer Weise kombiniert.
„Grundriss“ und „Aufriss“ in diesem allgemeinen Sinn kommen als Darstellungsformen bereits 2000 Jahre vor Christus bei den Ägyptern vor, bei Architekturdarstellungen und in der Bildhauerei sogar im Zusammenhang, wobei dem Grundriss durch Umklappen an einer Linie des üblichen Quadratrasters ein Aufriss bereits maßstäblich zugeordnet sein kann (Sellenriek, „Zirkel und Lineal“, S. 32). Vitruv erwähnt im 1. Jh. vor Chr. zwei von den Griechen übernommene Darstellungsarten, die „ichnographia“ und die „orthographia“. Der erste Begriff bedeutet so viel wie „Fußspurzeichnung“ und der zweite „Aufrechtzeichnung(Sellenriek S.41). Sellenriek verneint allerdings für die Ägypter den Zusammenhang dieser räumlichen Zuordnung mit einem optischen Projektionsmodell, wie es etwa bereits die Erfahrung von Schattenrissen hätte liefern können. Die rechte Darstellung liefert die Rekonstruktion einer ägyptischen Zeichnung auf einem Papyrusblatt aus dem 3. Jh. v.Chr., das in Berlin aufbewahrt wird. (nach H. Schäfer, "Von Ägyptischer Kunst"). Für das Standlinienbild gibt es bereits bei den Griechen ein interessante Bezeichnung, die "Isokephalie", was soviel bedeutet wie "auf gleicher Kopfhöhe". 
Bei der ägyptischen Zeichnung und Malerei ist der Zusammenhang von Bild und Text augenscheinlich. So haben bildhafte Symbole nicht nur den Text illustrativ begleitet sondern auch direkten Eingang in die Bilderschrift der Hieroglyphen gefunden. Bei Carl Schuchhardt, ("Die Burg im Wandel der Weltgeschichte", Wiesbaden 1991 S.3) stosse ich auf die Beschreibung von Hieroglyphenzeichen, die "so alt wie die ägyptische Schrift selbst" sind und ein Symbol für die Burg, Befestigung darstellen und Türme oder ummauerte Anlagen in Grundriss wie im Aufriss zeigen.

Der Schatten
Mir fällt beim Stichwort „Schattenprojektion“ ein, dass Schüler gelegentlich beim Zeichnen räumlicher Buchstaben vom „Schatten“ sprechen, wie das im übrigen auch Grafik- oder Layout-Programme tun. So ein Schatten erzeugt zwar einen räumlichen Effekt durch seitlich verschobene Überlagerung zweier gleichförmiger Figuren, von denen man eine als vorn, die andere als hinten liest. Ein Raumbild eines Buchstaben jedoch würde anders aussehen müssen, wie auch der parallel projizierte, unverzerrte Schatten nur eine Möglichkeit der Schattenbildung darstellt. Schattenprojektionen führen zu Verzerrungen wenn die Projektionsfläche nicht parallel zur Hauptebene des projizierten Objekts liegt oder wenn die Projektionsstrahlen nicht parallel sind, wie etwa bei punktförmigen Lichtquellen. Sonnenlicht und eine zum Objekt parallel liegende Projektionsfläche können jedoch auch zu annähernd unverzerrten Schattenfiguren führen weil das Sonnenlicht das Grundmodell für eine Parallelprojektion liefert.
Die Abbildung der Buchstaben A mitsamt Schatten wurde mit Photoshop erstellt, das M war eine aus Holz ausgesägte Form, deren Schatten im Sonnenlicht auf einer Papierfläche aufgefangen und fotografiert wurde.
Eine ganze Reihe von Aufgaben lassen sich finden als Anwendung sowohl des "Fußspurzeichnens" als auch der Parallelprojektion nach Regeln der Kavaliers- oder der Militärperspektive. Es ist nur sinnvoll und didaktisch klug, derartige Aufgaben zunächst mit der flächigen Darstellung des Grundrisses zu beginnen und danach "wie der Maurer" die Wände hochzuziehen. Für solche Zwecke habe ich ein kariertes Papier so stark hochkopiert, dass die Rasterquadrate 1cm Kantenlänge erhalten. Das lässt sich als Zeichenhilfe unter das Arbeitsblatt legen und scheint dann noch ausreichend deutlich durch. Die Quadratdiagonale gibt den Winkel von 45 Grad vor. Ein nachträgliches Bezeichnen der drei Raumrichtungen mit drei Tönen klärt die räumliche Lesbarkeit. Im Gegensatz zur Zentralprojektion liefert die Paralellprojektion neben dem 3-Tafel-System in den diversen Parallelperspektiven einfache und überschaubare Regelsysteme, mit denen sich vielfältige beschreibende Aufgaben sehr klar lesbar lösen lassen: Isometrie, Dimetrie, Kavaliersperspektive und Militärperspektive gehen zurück auf die Bemühungen barocker Ingenierskunst, eindeutige Darstellungsverfahren für konstruktive Aufgaben zu schaffen (Desargues "Brouillon project" 1636-40).

Grundriss und Aufriss als Blockprinzip
Nach Sellenriek findet sich die erste Darstellung des Grund- und Aufrissverfahrens in der Literatur erst in Dürers „Unterweisung zur Messung“ von 1525 im Zusammenhang mit der Konstruktion einer Schneckenlinie, wie sie von Bildhauern für die Herstellung von gewendelten Säulen benötigt wird. Mit großer Sicherheit sind die dazu notwendigen Überlegungen jedoch schon den ägyptischen Architekten und Bildhauern bekannt gewesen. Als Modellbauer scheint es mir unvorstellbar, dass etwa Phöniker, Ägypter, Griechen, Römer oder Wikinger ihren Schiffsbau ohne ein hochgradig präzises Anreissen der Bauform von Spanten und Schiffsrumpf hätten bewerkstelligen können. Allein schon die Entwicklung von Schiffen mit Kiel und Beplankung auf Spanten etwa um 1000 vor Chr. zeigt die Fähigkeit zum Denken in Längs- und Querschnitten. Ein Plan im modernen Sinn ist dazu nicht notwendig, weil die Maße sinnvollerweise direkt auf der Hellig und am Kiel aufgerissen werden. Auch am Richtplatz der Zimmerer wird ein Dachstuhl oder Fachwerk in ähnlicher Weise aufgerissen und etwa durch gespannte Schnüre 'aufgespannt'.
Zwei elementare Voraussetzungen sind jedenfalls den ägyptischen Landvermessern überaus geläufig: die „Seilkunst“ zur Erzeugung des rechten Winkels (ein Seil wird durch 12 Knoten in 12 Teilstrecken geteilt; damit lässt sich ein rechtwinkliges Dreieck mit den Seitenlängen 3:4:5 spannen) und das Peilen mit Hilfe von Visierstrahlen und Senklot. Anders wären sie nicht einmal in der Lage gewesen Steinblöcke quaderförmig präzise genug für ihre Bauten zu bearbeiten. Bei der ägyptischen Skulptur ist davon auszugehen, dass 

die Statue aus der Konzeption eines rechtwinkligen Blocks entwickelt“ wird, „auf dessen vier Seiten ihre Erscheinung von vorn, von den beiden Seiten und von hinten senkrecht projiziert ist.
(„Der vermessene Mensch“, Moos Verlag 1973) 
Die Abb. zeigt ein Bildhauerlehrstück eines Königskopfs um 280 vor Chr. mit eingeritztem Netz als Peilhilfe aus der Ägyptischen Sammlung, München

Demnach kann man feststellen, dass die Vorzeichnung auf dem Bildhauerblock den Zusammenhang von Grundriss, Aufriss und Seitenriss realisiert genau in dem Sinn, wie Dürer es etwa in seinem Dresdener Skizzenbuch und der Proportionslehre am Beispiel eines Kopfs expliziert. Man kann außerdem vermuten, dass in den Tempelwerkstätten der Ägypter für die Herstellung von Säulen, Kapitellen, Sphingen, die gleichförmig in großer Zahl herzustellen waren, ein Kopierverfahren in Gebrauch war, für das sich peilen und ausloten als Methoden geradezu anbieten, für die geometrisch gesehen die Parallelprojektion die Grundlage bildet.

Mit einigem Erstaunen habe ich vor Jahren zur Kenntnis genommen, dass im Fach Mathematik bereits in der Unterstufe des Gymnasiums Flächenberechnungen an Quadern durchzuführen waren. Mein Erstaunen rührt daher, dass ich aus dem Kunstunterricht noch in der Mittelstufe die Probleme kenne, die Schüler mit der von Dürer übernommenen Aufgabe haben, einen Kopf auf der Oberfläche eines Quaders abzuwickeln. Mund, Augen, Nase in allen Ansichten auf die entsprechende Höhe und Breite zu projizieren, das fällt im allgemeinen nicht leicht, was auch dem hier gezeigten Beispiel zu entnehmen ist. Die Mehrzahl der Schüler dieser Altersstufe antworten zwar richtig auf die Frage, welche Flächen in der Abwicklung aneinandergrenzen, dennoch betrachten sie beim Zeichnen jede Teilansicht für sich und führen Peilungen erst dann durch, wenn der Quader zusammengeklebt ist. 
Wer eine entsprechende Ausstattung hat, der kann sich im Anschluss an eine derartige Trockenübung auch auf den plastischen Ernstfall einlassen und aus einem Block (Holz, Gips, Wachs, Plastillin, Hartschaum) einen Kopf schnitzen lassen.
Das vollständige Unterrichtsbeispiel "Quaderkopf" findet sich unter: www.kusem.de/konz/su16/quako.htm

Szenographie
Der Begriff  "scaenographia" taucht bei Vitruv im zweiten Kapitel des ersten Buchs an der Stelle auf, wo er "die ästhetischen Begriffe der Baukunst" erläutert. Die Formen der Dispositio sind folgende; "Ichnographia, Orthographia, Scaenographia". Vereinfacht ausgedrückt bezeichnet er damit Grundriss, Aufriss und "die illusionistische Wiedergabe der Fassade und der zurücktretenden Seiten".   In der Vorrede zum 7.Buch, in der er seine literarischen Quellen rühmt, erwähnt er den Agatharchos von Samos als Verfasser einer Schrift über Bühnenmalerei, in der es im wesentlichen darum geht körperhafte Dinge auf senkrechten und ebenen Oberflächen so zu malen, dass "das eine zurücktretend, anderes hervortretend zu sein scheint".  Die Szenographie wird schon vom Wort her ursprünglich mit der Bühnen- und Kulissenmalerei in Verbindung gebracht und viel mehr als das hier zitierte ist aus Vitruv darüber auch nicht zu erfahren. Ob es sich dabei um eine der Perspektive verwandte Methode gehandelt hat, muss man annehmen. Panofsky spekuliert über ein Verfahren, das er im Gegensatz zur planperspektivischen Zentralperspektive ein winkelperspektivisches nennt, demzufolge die Sehgrößen nicht durch die Entfernung der Objekte von Auge bestimmt sind, sondern durch das Maß der Sehwinkel. (Panofsky, Perspektive als symbolische Form S.104)
 
Nach einem winkelperspektivischen Verfahren müsste die Projektion von Gegenständen auf eine "Seh-Kugel" erfolgen und wären Geraden stets als Kurven abzubilden damit sie als gerade empfunden werden können.  Warum diese auf Euklid zurückgeführten und ansich klugen Überlegungen nicht zur Entwicklung kugelförmig gewölbter Bildflächen bei den Griechen geführt haben, erklärt Panofsky nicht. Mit Ausnahme der Vasenmalerei haben die Griechen in der Hauptsache auf Holztafeln und auf ebene Wände gemalt. Bei der Übertragung winkelperspektivischer Gesetzmäßigkeiten auf ebene Bildflächen "erhält man jedenfalls (für die Darstellung eines Raumkastens) ein Resultat, das mit den erhaltenen Denkmälern in einer entscheidenden Tatsache übereinstimmt: die Verlängerung der Tiefenlinien laufen nicht...in einem Punkte zusammen, sondern sie treffen sich nur leise konvergierend, paarweise in mehreren Punkten, die alle auf einer gemeinsamen Achse liegen." Diese Achse nennt er Fluchtachse, und derlei Fluchtachsen kann Panofsky in zahlreichen Bildern nachweisen.
Meister Bertram; Geburt Christi; 1340-1414/15; Grabower Altar; 85x57 cm, Eichenholz;
Panofsky kennt zwei Lesarten des Begriffs Scenografie: sie ist  "1. die Methode des Malers, der Gebäude darstellen will und dabei nicht ihre wahren, sondern ihre scheinbaren Maße zur Wiedergabe bringen muß, 2. die Methode des Architekten, der nicht die unter abstrakt mathematischen Gesichtspunkten schönen Proportionen anwenden darf..."sondern..."den Täuschungen des Auges entgegenarbeiten muss, 3. die Methode des Großplastikers, den die Skenographie über den künftigen optischen Eindruck seines Kunstwerks belehrt..."

Die einzigen überlieferten Wandgemälde der Antike nach dieser Methode stammen laut Sellenriek aus hellenistischer Zeit und liegen auf römischem Boden (z.B. Villa Livia, Rom). 
„Nach allem, was man dort ablesen kann, können damals die Gesetzmäßigkeiten der Perspektive in ihrem ganzen Umfang noch nicht begriffen gewesen sein. Gleichwohl liegt es im Bereich der Wahrscheinlichkeit, dass es den antiken Skenographen mit ihrem für visuell-optische Phänomene geschulten Blick nicht entgangen ist, wie das sogenannte Fluchten von Parallelen, ihr Zusammenstreben auf einen imaginären Punkt, dann nicht mehr wahrnehmbar ist wenn die angeschauten Dinge in Bezug zur Größe des Betrachters entweder sehr klein oder sehr weit entfernt sind, d.h. ihre Parallelen auch im Bild annähernd parallel erscheinen müssen. Schaut man z.B. eine Zündholzschachtel aus mehr als einem Meter Entfernung an, so bleiben auch ihre Parallelkanten für die Wahrnehmung parallel, ganz im Gegensatz zu denen eines Gebäudes aus >normaler Distanz<. Theoretisch geht die Fluchtpunktperspektive bei einem unendlich großen Abbildungsabstand, praktisch aber schon, wenn dieser ein erhebliches Vielfaches der Gegenstandsgröße ausmacht, in die Parallelperspektive über, in der eben Parallelität erhalten bleibt.“(Sellenriek S. 58)

Die Abbildung zeigt eine Rekonstruktion von J. Harvest der Fluchtachsenperspektive eines Wandgemäldes aus der Villa Livia auf dem Palatin in Rom, 1. Jh v. Chr. Abb. aus Sellenriek S.131

Für den Plattenboden des Meister Bertram liefert das Verfahnen offensichtlich keine optisch überzeugende Rezeptur. So haben denn auch die Maler des 15. Jh. im Norden wie im Süden für diesen Spezialfall bald der Lösung mit konvergierenden Fluchtlinien den Vorzug gegeben, wobei etwa noch im Umfeld von van Eyck für die Orthogonalen des Plattenbodens und die des Deckengebälks getrennte Fluchtpunkte unter Beibehaltung der vertikalen Fluchtachse üblich waren.

Innenräume und "Schrägbild"
„Wenn man Häuser und größere Geräte auf einer Zeichenfläche halbwegs erkennbar darstellen will, das heißt: ohne entweder etwas Wesentliches wegzulassen oder ihren Zusammenhang zu verwirren, muß man wohl oder übel die nach hinten verlaufenden Kanten durch schräge Linien wiedergeben.“... „In der Kunst des fernen Ostens hat man tausend Jahre lang die Tiefe durch schräg nach oben verlaufende Parallelen angedeutet.“ 
(Metzger S.237)
Bild links Simione Martini, Siena 1433                                            Bild rechts Bertram von Minden, Altartafel um 1400
Zur Unterscheidung von dem Bemühen um zur Bildmitte hin konvergierende Tiefenlinien nenne ich diese Art der Raumdarstellung „Schrägbild“, wie schon Meyers diesen ersten Versuch einer plastischen Konstruktion bestimmter Motive in der Kinderzeichnung genannt hat. (Meyers, „Die Welt der kindlichen Bildnerei 1957) Solche Schrägbilder finden sich bei den Griechen, den Römern, das ganze Mittelalter hindurch oft ohne erkennbare Systematik, was die Richtungen der Tiefenlinien anlangt. Das Spektrum der Möglichkeioten ist dabei äußerst vielfältig und reicht von der sog. umgekehrten Perspektive ( s.o. den Altartisch in der Tafel des Meister Bertram) über Mischformen von parallel geführten und konvergierenden Tiefenlinien, wie oben bei Simone Martini, bis hin zu Systematisierungen, die etwa dem Rat von Cennini folgen, 
"dass bei Gebäuden die Linien der Dachgesimse zu fallen, die der Sockelprofile zu steigen und die der mittleren Gesimse gleichmäßig, d.h. horizontal zu verlaufen haben."
Cennini "Buch der Malerei", zitiert nach Panofsky, Perspektive als symbolische Form Anm.56, S.154
Neben den bereits erwähnten Fresken aus Pompej finden sich Schrägbilder etwa auch im Bauhüttenbuch des Villard de Honnecourt oder in Bildwerken des späten Mittelalters bis hin zu Fra Angelico und Giotto.

Fluchtachse  und Fluchtpunkt
Die Fluchtachse kommt vor allem dann als Konstruktionsprinzip in Frage, wenn ein Innenraum als "Raumkasten"dargestellt werden soll. Bei Simone Martini erfolgt das noch in einer Mischung aus parallelen und konvergierenden Tiefenlinien.
Die Szenografie stellt eine Annäherung an die Zentralprojektion dar, auch wenn an Stelle eines zentralen Fluchtpunkts an einer vertikalen Fluchtachse festgehalten wird, bei der die in die Raumtiefe gehenden Horizontalparallelen getrennt nach gemeinsamer Höhenlage zu verschiedenen, auf einer vertikalen Achse aufgereihten Punkten fluchten. Neben dem von Sellenriek erwähnten hellenistischen Wandbild aus Rom kenne ich aus Pompeji Fresken, die dem gleichen Konstruktionsprinzip folgen, aber auch bis ins 15. Jh. Tafelbilder z.B. von Jan van Eyck die "Arnolfinihochzeit", von Rogier van der Weyden, „Der hl. Lukas malt die Madonna“ von 1436 Abb. oben re.. In allen Fällen besitzen die Bilder eine zentral gelegene vertikale Fluchtachse über die die Darstellung eines Innenraums so organisiert wird, dass die Orthogonalen der oberen Bildhälfte einen hoch gelegenen und die Orthogonalen der unteren Bildhälfte einen tief gelegenen Fluchtpunkt auf der Fluchtachse besetzen. Für eine Theaterkulisse würde das insofern einen Sinn machen, als sowohl in den höher gelegenen Rängen als auch in den tiefer liegenden Rängen sowie von rechts wie links eine annehmbare Raumillusion geschaffen wird. Auch für den Betrachter eines größeren Tafelbildes kann man davon ausgehen, dass er dieses Bild nicht etwa durch ein Loch betrachtet wie eine Kamera, sondern dass er sein Auge nach oden und unten wandern lässt und -warum nicht auch- den Kopf hebt und senkt, je nachdem ob er die obere Hälfte eines Bildes betrachtet oder die untere. So gesehen entspricht eine derartige Raumordnung einem natürlichen Betrachter mehr als die Zentralperspektive.
Bild oben links Fresco aus Boscoreale ca 50 v.Chr.; 

Seitlicher Versatz
Wenn man Metzgers Argumentation betrachtet, so scheint er für die Schrägansicht von „Häusern und größeren Geräten“ eine gewisse Notwendigkeit zu sehen. Worin besteht aber diese Notwendigkeit, wo doch auch die Ägypter Häuser, Tische, Stühle abbilden, jedoch in keinem mir bekannten Fall auf eine Schrägansicht zurückgreifen?
Ich kann mir zwei Gründe denken, warum das Schrägbild einen Vorteil für die Darstellung bietet. Der erste Grund: Wenn von einem Objekt nicht nur die charakteristische Profilansicht gezeigt wird, dann können gleichzeitig mehr Objekteigenschaften zur Darstellung gebracht werden, die Beschreibung wird umfassender, genauer. Der zweite Grund liegt in der Gleichzeitigkeit verschiedener Ansichten: In der Schrägdarstellung liegt ein zeitlicher Faktor der Betrachtung, der gleichzeitig auf einen individuellen Betrachter verweist. Das, was in Rissen sich nur als zeitliches Nacheinander anbietet, also zu einem Zeitpunkt sich gegenseitig ausschließt, das wird nun gleichzeitig dargeboten. Ich vermute darin den Grund, warum die ägyptische Zeichnung das Schrägbild nicht entwickelt hat: Zeit ist für die Ägyptische Zeichnung ebenso tabu wie Licht. Die Zeit steht still im Bild der Ägypter, es ist bestimmt für die Ewigkeit und nicht für einen individuellen Betrachter, es besitzt eher den Charakter von Schrift als es eine Wahrnehmung von Dingen wiedergibt. Dabei vermeidet das ägyptische Bild nicht jede Möglichkeit der Schrägansicht, wie die nachstehenden Bilder zeigen.
So ist beispielsweise der seitlicheVersatz der beiden Sitzfiguren durchaus ein sehr elementarer Baustein der Schrägdarstellung. Sogar die Bank, auf der das Paar sitzt, kann in Einzelfällen die Bewegung nach rechts mitmachen. Auch die übliche Schrittstellung der Beine oder die Drehung des Oberkörpers, die beide Schultern sichtbar zeigt, kann als Schrägansicht, als Parallelverschiebung ohne diagonalen Versatz gedeutet werden. Derartige "Schrägbilder" gibt es auch in Kinderzeichnungen.
s.u. Meyers, „Die Welt der kindlichen Bildnerei“ S. 83ff

Parallelität und Verkürzung
Die parallele Projektion hat gegenüber der zentralen Projektion den Vorzug einer winkelgetreuen und maßstabsgetreuen Abbildung. Für den Steinmetz, den Maurer, den Werkzeugmacher, selbst für den Autofahrer, der im Straßenverkehr seinen Weg sucht, bringt ein Foto seines Objekts, Gebäudes, seines Werkstücks oder Fahrziels meist weniger brauchbare Informationen als ein Plan, der die wahren Größen sichtbar macht. Die Parallelprojektion mit den ihr zuzuordnenden Darstellungsarten, den Rissen und dem Schrägbild, hat vor allem ihre Funktion innerhalb einer beschreibenden Absicht von Bildern, die das beschriebene Objekt in einem konstruktiven Sinn in den Vordergrund rückt. Die ebene Geometrie, die im Kern und Ursprung der Landvermessung dient, kommt auch mit plastischen Objekten bis zu einem gewissen Grad hinreichend zurecht, nämlich so lange, wie sich diese Objekte rissartig abbilden lassen. Einer beschreibenden Absicht, die die Erscheinungsrichtigkeit des Sehdings für einen Betrachter ins Zentrum ihrer Bemühungen richtet, können diese Darstellungsarten ab einem noch zu bestimmenden Punkt anscheinend nicht mehr genügen. Historisch lässt sich das festmachen am Auftauchen szenografischer Elemente in der Malerei von Griechen und Römern, etwa der Einbeziehung von Helldunkel, Licht und Schatten an runden Motiven oder dem Schrägbild bei Bildmotiven, die durch eine stereometrische Charakteristik gekennzeichnet sind. Für den historischen Prozess liefert Panofsky  einen guten Überblick in seinem Aufsatz von 1964 „Perspektive als symbolische Form".

Schrägbild und Horizontbild
Dieser historische Prozess hat seine individuelle Entsprechung in der Entwicklungsphase etwa ab dem 9. Lebensjahr. Die Psychologie spricht von einer „Umstrukturierung der Raumkonzepte der Schemaphase“
(Richter, „Die Kinderzeichnung S.85)
„Nur bei der Darstellung von kubischen Gegenständen wie Haus, Auto o.ä. beginnt das Kind um diese Zeit erst mit dem Versuch einer plastischen Konstruktion, indem es diese Motive schräg in die Flächentiefe zeichnet, d.h. so darstellt, daß zwei Seiten des Gegenstands zu sehen sind und daher der Eindruck einer begrenzten Tiefenräumlichkeit entsteht.“
(Richter S. 85)
Das Kind „denkt sozusagen von einem Standpunkt aus und kann die räumlichen Zusammenhänge zu diesem Standpunkt in Beziehung setzen.“
(Richter S.87)
Die meisten Autoren der Kinderzeichnung sehen diese Phase des „Schrägbilds“ als eine notwendige Übergangsphase hin zu einer Entwicklung eines „Horizontbilds“ (Meyers, „Die Welt der kindlichen Bildnerei“ S. 83ff), eines photographischen Realismus (Selfe, „Normal and Anomalous Representational Drawing Ability in Children“). Demgegenüber glaubt Richter eher daran, dass zwar ein Potenzial für das Verständnis und die Fähigkeit zur Darstellung einer linearperspektivischen Bildkonstruktion in der Jugendzeichnung wächst, ob aber 
„der Jugendliche tiefenräumliche Darstellung wählt, hängt von kulturspezifischen, vielleicht auch gruppen- oder schichtenspezifischen Bedingungen ab. Außerdem legen Raumvorstellung und Raumbewußtsein ihn ja nicht auf ein Konzept tiefenräumlicher Konstruktion, etwa das der Linearperspektive fest, sondern er kann eines der möglichen Konzepte präferieren, verschiedene Raumkonstruktionen ausprobieren – je nach Darstellungsintention und Mitteilungsinhalten.“ 

Sehpyramide und Unendlichkeitsidee
Genau besehen ist die Zentralperspektive sowohl als geometrische Konstruktion, wie auch als symbolische Form ein sehr komplexes Gebilde, das sowohl in der Geschichte der Malerei als auch in der akademischen und kunstpädagogischen Ausbildung heute mit höchst unterschiedlichem Tiefgang studiert wurde und wird. Ich habe es oft erlebt, dass von Lehrern einem Bild der Kunstgeschichte eine ‚raffinierte Perspektivkonstruktion‘ unterstellt wurde, ohne dass man den Wiedersprüchen oder auch Fehlern der konkreten Komposition nachgegangen wäre. Es ist ja nicht damit getan den Orthogonalenfluchtpunkt oder einen Horizont im Bild zu verwenden. Fluchtpunkte und Verkürzungen in Bildern führen auch nicht zwangsweise zu "erscheinungsrichtigen" Abbildern, sondern oft zu Verzerrungen und verwirrenden Behauptungen, die jedem Gesichtssinnerlebnis entgegenstehen aber „konstruktive Richtigkeit“ behaupten.
Als ein Beispiel möchte ich Leonardos Abendmahl aus Mailand nennen. Aus einer Abbildung im Buch mag man schnell einen orthogonalen Fluchtpunkt ermitteln. Aber erst im Bezug des Bildes zu seiner Wand im ehemaligen Kloster kann man sich vergewissern, dass dieser Fluchtpunkt keinem realen Betrachterstandpunkt vor Ort im ehemaligen Refektorium zugeordnet werden kann, es sei denn, man stellte dort eine Leiter auf. Dennoch behauptet das Buch geradezu euphorisch:
“Statt das Auge als abstrakten Punkt zu begreifen, lediglich als Scheitelpunkt der Sehpyramide, hat er jenes Auge zusammenfallen lassen mit dem realen Auge des Betrachters und so die Illusion geschaffen, daß gemalter Raum und realer Raum ineinander übergehen und sich ineinander fortsetzen; der Betrachter befindet sich somit illusorisch einbezogen in die malerische Fiktion....ein Wendepunkt in der Malerei...“
(Ladislao Reti, „Leonardo, Künstler, Forscher, Magier“, 1974)
An der gleichen Stelle liefert das Buch eine fotografische Ansicht des ehemaligen Refektoriums mit dem Abendmahl aus dem klar hervorgeht, dass Leonardo die Orthogonalen seines Bildes auf Christus (vermutlich sein Auge!) fluchten ließ, das sich ca. 4m über dem Niveau der Halle befindet, also den Horizont des Betrachters deutlich wahrnehmbar übersteigt. Das sollte eigentlich eine Interpretation inhaltlich verändern.
Auge in Aug' mit dem Gottessohn, das war wohl auch für die Renaissance eine allzu kühne Vorstellung für einen Leonardo genauso wie für die speisenden Dominikaner. Alexander Perrig charakterisiert das Verständnis der Renaissance von der Zentralprojektion auch folgerichtig nicht als Flucht auf ein Zentrum hin, sondern von hinten nach vorn gelesen, 
"als einen Raum, der sich von der Tiefe her entwickelt, als einen ausstrahlenden Raum."
A. Perrig in Werner Busch, "Funkkolleg Kunst Bd.II, 1987, S.666
Christus wird somit zum Ausgangspunkt einer Bewegung, die in den Raum hinein strahlt und dem direkten Blick eines speisenden Mönchs gegenüber doch entrückt und erhoben bleibt. Horizont und Fluchtpunkt erscheinen so gesehen nicht als Grenzwert eines sinnlichen Erfahrungsraums des Individuums, sondern als absolute, göttliche Idee, jeder sinnlichen Erfahrung entrückt, aber durch die sinnlich erfahrbare Welt einwirkend auf den menschlichen Geist.
Der Horizont des kindlichen "Horizontbildes" und auch die Fluchten, die Jugendliche in ihren Bilder vereinzelt verwenden, sind vermutlich in ihrer Bedeutung bescheidener. Als Grenze zwischen Himmel und Erde definiert das Horizontbild zwei unterschiedliche Lebensräume, Erde und Luft. Für alles, was in der Luft passiert, ist der kindliche Horizont eher einer zweiten Standlinie vergleichbar als dass er Unendlichkeit oder Absolutheit symbolisiert. Für den Fluchtpunkt in Bildern Jugendlicher hat die engliche Sprache einen aussagekräftigen Begriff. Der "vanishing point" symbolisiert den Trichter, in dem die bildliche Welt verschwindet, etwa so, wie das Bild  beim Ausschalten eines Fernsehapparats in einem Punkt verglimmt.

Lesbarkeit und konstruktive Richtigkeit
Viele seiner Zeichnungen etwa aus dem Codex Madrid fertigte Leonardo freihand entweder unter Verwendung eines Schrägbilds, das deutlich an eine Kavaliersperspektive erinnert, oder im Bemühen um eine Fluchtpunktperspektive. Ich finde es wenig verwunderlich, dass solchen Zeichnungen eine konstruktive Stimmigkeit nachweislich abgeht. Ohne Lineal ist das Fluchten auf einen Punkt, etwa bei einer starken Draufsicht, wenn die Fluchtlinien sehr lang werden, nahezu unmöglich. Trotzdem wirkt die Darstellung auf den ersten Blick nicht etwa unbeholfen oder unübersichtlich. Das führt mich zu der Frage, warum überhaupt bei der Darstellung überschaubarer Objekte eine zentrale Projektion sinnvoll sein kann. Meine Antwort: Wenn die Tiefenausdehnung eines Objekts die von Höhe und Breite deutlich übersteigt, beginnt die Parallelität von Orthogonalen merkwürdig auszusehen. Oder: Wenn die Höhe eines Objekts die eigene Körpergröße deutlich übersteigt, sollte eine Zeichnung nicht den Eindruck erwecken, dass man auf die Bodenfläche in gleicher Weise Blicken kann, wie auf die Deckfläche. Entsprechendes gilt für extrem breite Objekte. Dann jeweils scheinen stürzende Linien eher angebracht als parallele. Was aber sagt eine frontalperspektivische Konstruktion insgesamt aus über die erscheinungsrichtige Verkürzung von Objekten?
„Erstens ist alle Perspektive nur für einen einzigen Standpunkt richtig: genau denselben, von dem aus der Maler oder das Bildgerät die Dinge aufgenommen hat. Nur für diesen Punkt sind die Gesichtswinkel wirklich dieselben wie beim Betrachten des Gegenstands.“
(Metzger, S.256)
Das ist keine unwichtige Bemerkung, weil wir beispielsweise beim Betrachten von Fotografien oder Drucksachen in der Regel ein- und denselben Abstand zum Bild einnehmen, ganz egal, in welchem Maßstab das Objekt darauf verkleinert wurde.
„Auch die verkleinerten Wiedergaben großer perspektivischer Zeichnungen oder Gemälde können nur dann richtig wirken, wenn man sie im Verhältnis der Verkleinerung dem Auge nähert. Im Grunde müsste jeder Maler, der auf räumliche „Richtigkeit“ Wert legt, an den Bildrand schreiben: Betrachtungsabstand so und so viel, und bei verkleinerten Wiedergaben in Büchern müßte man den dazu passenden Abstand mit angeben. Da man aus der erforderlichen Nähe im allgemeinen nicht mehr scharf sehen kann, wirken die meisten Wiedergaben von Bildern nur mit der Lupe (oder im Hohlspiegel) raumtreu, weil man dort das Bild bei zutreffendem Bildwinkel und zugleich scharfer Einstellung des Auges betrachten kann.“
(Metzger S.259)

Netzhautbild und Hirnrindenbild
Vor allem bei zentralperspektivischen Abbildungen großer Objekte, etwa der Architektur, für die diese Darstellungsart eigentlich geschaffen ist, ist das immer ein Problem, wenn die Abbildungen in handlicher Form vorliegen, etwa bei Schülerzeichnungen im Format A3 bis A4. In der Regel kommt das Moment einer realistischen Verkürzung in den Lehrverfahren der Perspektive auch zu kurz weg. Das mag auch damit zu tun haben, dass realistische Abbildungen großer Objekte einen großen Objektabstand benötigen und damit der Distanzpunkt als Korrektiv für die Verkürzung auf kein Arbeitsblatt mehr passt und auch Lineale von der erforderlichen Länge nicht mehr verfügbar sind.
Dabei gehen viele Leute bei der Einschätzung von Erscheinungsrichtigkeit davon aus, dass das Netzhautbild der Fotografie und der Art, wie wir wahrnehmen entspricht. Das ist aber nicht der Fall. Vor allem die Konstanz der Größe und die Beständigkeit der Form weisen hin auf einen Unterschied zwischen "Netzhautbild" und „Hirnrindenbild“ 
„Zwei Dinge, die in unserem Auge ganz verschieden groß abgebildet werden, können trotzdem gleich groß aussehen. Und ein fester Körper, dessen Bild auf der Netzhaut die Drehung oder beim Wechsel des Standpunkts die verschiedensten Formen annimmt, sieht trotzdem, von Grenzlagen abgesehen, völlig unverzerrt aus; er ist auch anschaulich ein festes, formbeständiges Gebilde, kein Gummiding, wie man es nach der Kenntnis der Vorgänge auf der Netzhaut erwarten könnte.“
(Metzger, S.237)

Objektstudien und Fluchtlinien
Der Abstand vom Objekt Würfel mit Kantenlänge 10 cm betrug bei der linken Abbildung ca. 2m, bei einer Höhe von ca. 1m über der Tischplatte. Die Kanten sehen in dieser Entfernung, Höhe und unter dem gegebenen Objektwinkel nahezu parallel aus. Eine Konstruktion der Fluchtlinien über einen Fluchtpunkt würde ein riesiges Blatt erfordern für ein relativ kleines Bildobjekt. Beim rechten Bild lag der Abstand unter 1m und die Aufnahme erfolgte etwa aus Augenhöhe in sitzender Position. So etwa könnte ein Schüler im Unterricht vor einem derartigen Objekt sitzen. Die Verkürzung wird erst dann deutlich, wenn die am Tisch vorhandenen Linien beim Peilen zur Hilfe genommen werden. Ohne den Vergleich mit dem Tisch ist das konvergieren der Tiefenlinien kaum zu beobachten. Der Fluchtpunkt liegt immer noch so hoch, dass er vermutlich auf einem Zeichenblatt nicht sinnvoll unterzubringen ist. 
Entfällt die Orientierung etwa an den langen Linien eines Tisches, sieht die Sache gleich anders aus und die Kanten eines Würfels erscheinen auch unter diesem Blickwinkel nahezu parallel. Ich sehe darin eine hinreichende Argumentation für die Forderung, etwa beim Sachzeichnen oder beim Zeichnen von Stilleben im Unterricht auf eine konstruktive Ermittlung von Fluchtpunkten sowie auf ein Konvergieren der Tiefenlinien zu verzichten. In den meisten Fällen führt eine annähernd zeichnerische Paralellität der Tiefenlinien zu einem angemessenen Erscheinungsbild. Die eigene Augenhöhe kann eine Einschätzung liefern über die Flachheit von Deck- und Seitenfläche des Körpers. Viel wesentlicher bei derartigen Studien ist das Abschätzen der unterschiedlichen Raumrichtungen durch die Verdrehung der Seitenflächen zueinander.
Abb. Stilleben nach aufgebauten Holzklötzchen 9./10. Jgst.

Wie fotografisch ist unsere Anschauung?
Ein speziell zum Problem der Verkürzung unternommener Versuch zeigt, wie wenig überzeugend etwa auf 12-jährige ein fotografisches Argument wirken kann; In einer Aufgabe sollten die Schüler einer 6. Jahrgangsstufe anlässlich der Fußball Weltmeisterschaft die Situation beim Elfmeterschießen darstellen. Dazu stellten wir im Zeichensaal annähernd die Größenbeziehung von Schütze und Torwart für den Fotoapparat nach. Die Schüler zeigten sich beeindruckt. Auf ihre Zeichnungen hatte diese Demonstration aber keinen Einfluss. Die Mehrzahl der Schüler gab den Protagonisten nahezu die gleiche Größe im Bild, was aus der von vielen Schülern gewählten Distanz und Draufsicht (Fernsehkamera hoch über dem Stadionrasen) auch gar nicht so falsch ist. Ohne die technische Hilfe des Peilens oder noch besser, die Bemühung der Fotografie, scheint es mir sehr schwierig zu sein, das Phänomen der Verkürzung vor die Augen der Schüler zu bringen. 
So habe ich auch in einem Grundkurs Grafik zum Problem der Verkürzung an der menschlichen Figur die Fotografie zur Hilfe genommen. In diesem Fall zeigten sich die Schüler durch die Demonstration am Foto deutlicher beeindruckt als die 12 Jährigen und es macht den Eindruck, dass 18-jährige mit dem Phänomen anders zurecht kommen als die sechs Jahre jüngeren Kinder. 
Zwei wesentliche didaktische Überlegungen sollten nach meiner Meinung einer Lehre perspektivischer Verkürzung vorausgehen: 
  • Erstens sind es ganz spezielle Objektarrangements, an denen Verkürzung wahrgenommen werden kann. Solche Anordnungen zu finden und sie in Aufgaben einzukleiden scheint mir eine wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche Unterrichtung zu sein. 
  • Zweitens gliedert sich das Phänomen der Verkürzung in eine ganze Anzahl von Teilschritten,  die zunächst erkenntnistheoretisch aufzuschlüsseln sind, bevor für sie im Unterricht der richtige Zeitpunkt und Kontext gefunden werden kann. Einige davon will ich hier abschließend aufzählen:

Teilschritt 1: Fluchten auf einen Punkt
Ein relativ einfacher Schritt, den schon 10-jährige nachvollziehen können, ist das Fluchten von Linien, etwa von Bahngleisen auf einen Punkt. Ein Begriff von Orthogonalen oder von der Bildebene ist dazu noch nicht notwendig, und ist auch für diese Altersgruppe nicht sinnvoll. Was Orthogonalen sind, sollte man erst in der Mittelstufe dann erläutern, wenn man die 3-Ttafel-Projektion erklärt und in einfachen Anwendungen einübt. Die oben und im folgenden gezeigten Arbeiten stammen aus einer 6. Jahrgangsstufe zu einem so genannten „zentralperspektivischen Thema“. Was der Schüler hier von den Erklärungen des Lehrers übernommen hat, ist das Fluchten von Linien auf einen Horizont. Für diesen Schüler blieb dieses Phänomen ein simples Zeichen, das mit seinen übrigen Bildvorstellungen kaum in Einklang steht. Möglicherweise hat er den mit dem Horizont vom Lehrer verknüpften Begriff von Unendlichkeit mit einer Bildvorstellung vom Weltall assoziiert und ihn auf die Idee einer Straße zum Mond gebracht. Nichts an diesem Bild deutet darauf hin, dass er die Perspektive als ein Prinzip der Raumordnung begriffen hat. Die gezeichneten Krater bilden nur eine sehr lose Systematik der Verkürzung. Überschneidungen werden bis auf li.vo. vermieden und die Horizontlinie dient ihm noch als Standlinie für eine Reihe von Kratern. Die Straße bleibt ein Fremdkörper in dieser Landschaft, etwa wie Stanley Kubricks schwarzer Quader im Film 2001 – Odyssee im Weltraum.
Nach Einschätzung von Panofsky findet sich "die wirklich zutreffende Definition des Fluchtpunktbegriffs... erst bei Desargues", dem französischen Bahnbrecher der projektiven Geometrie im 17. JH. (Panofsky, Perspektive als symbolische Form Anm.22, S.140). Mathematisch betrachtet setzt die Theorie des Fluchtpunktes eine Vorstellung von Unendlichkeit voraus, der der Euklidischen Definition paralleler Geraden genauso widerspricht, wie jeder Anschauung. Parallele Geraden schneiden sich in einem unendlich fernen Punkt. Da unser Sehvermögen recht endlich begrenzt ist,  ist der Fluchtpunkt wie der Horizont eine rein gedachte Größe. In der Malerei setzt sich erst im 19. Jh mit dem Impressionismus die Idee durch, dass Grenzlinien etwas rein Gedachtes sind und als Anschauungsphänomen nicht existent.

Teilschritt 2: Mehrere Fluchtpunkte in einem Bild
Etwas schwerer zu vermitteln dürfte die Tatsache sein, dass es prinzipiell für verschiedene Richtungen, die in die Tiefe führen, jeweils eigene Fluchtpunkte gibt. In der Regel wird man die in den Raum führenden Richtungen beschränken auf orthogonale Richtungen parallel zur Bodenebene. Damit reduziert man die Möglichkeiten auf die sog. Frontalperspektive. Bei Landschaftsbildern ergibt das eine eigenartige Komposition mit den hier zu sehenden Stereotypen, die noch kein tieferes Verständnis der Zentralprojektion voraussetzen: Der untere Bildrand spielt hier noch die Rolle einer Standlinie für Mauer und Haus. Der Horizont wird als zweite Standlinie eingeführt. Der Schüler ist von der Unendlichkeit noch nicht ganz überzeugt, aber immerhin lässt er den Blick des Betrachters am Horizont in einem Tunnel verschwinden. Der Übergang vom kindlichen Standlinienbild zum Standlinienbild mit Horizont ist dadurch symbolisiert, dass es eine Scheu davor gibt, Dinge, die mit dem Boden verhaftet sind, in den Himmel hineinragen zu lassen. Alles am Boden befindliche liegt unter dem Horizont, alles in der Luft befindliche wird über dem Horizont abgebildet. Perspektivisch erzeugt das einen Betrachter, dem kein Standpunkt auf dem Boden zuzuordnen ist. Der Jugendliche hat noch nicht begriffen, dass sich im Fluchtpunkt der Augpunkt abbildet. Gegenüber dem ersten Beispiel aus dieser Klasse zeigt sich hier ein fortgeschrittener Ansatz für ein Verständnis von perspektivischer Verkürzung: Die Bäume und Mittelstreifen der Straße zeigen eine allmähliche Verkleinerung, allerdings noch ohne jede visuelle Realistik. Die Zwischenräume, etwa bei den Bäumen, bleiben weitgehend gleich, Überschneidungen im Sinn von Staffelungen werden noch vermieden. 
Die Distanz als perspektivisches Regulativ für die Verkürzung ist noch nicht im Erfahrungsbereich dieses Schülers. Erst über die Einführung der Distanz führt ein Erkenntnispfad hin zu Fluchten in andere Richtungen und einer Einsicht über das geometrische Prinzip der regelmäßigen Streckenteilung. Das kann man ab der 8. Jahrgangsstufe versuchen in die Köpfe der Schüler zu bringen, etwa am Beispiel der aus der Renaissance bekannten Plattenböden. Die Über-Eck-Perspektive würde ich allerdings vor der 10. Jahrgangsstufe nicht ins Spiel bringen.

Teilschritt 3: Die Horizontlinie
Die Einführung eines Horizonts kann der gleichen Altersgruppe, in der viele Schüler noch so zeichnen, wie nebenstehend links zu sehen ist, vermittelt werden etwa als Grenze von Himmel und Erde. Ein Begriff von der Unendlichkeit des perspektivischen Raums im Sinn von Grenzwertigkeit ist damit noch nicht verbunden und wird sich den Kindern auch nicht erschließen.  Wenn sich Erdverbundenes über den Horizont erhebt, dann sind es häufig Berge, die nicht etwa den Horizont überdecken, sondern ihn als 'Standlinie' benützen. In meinen Augen ist der Horizont als Sichtgrenze der als eben definierten Bodenfläche erst für die Oberstufe ein angemessener Stoff. Aber auch dafür ließen sich Erkenntnispfade finden, etwa das Phänomen der Unschärfe oder der Farbenperspektive.

Teilschritt 4: Zenith und Vogelperspektive
Dass sich der perspektivische Raum nicht nur horizontal, sondern auch vertikal ausdehnt erscheint mir ein Phänomen, das man im gymnasialen Rahmen eher nicht gleichzeitig bearbeiten sollte. Die Malerei hat davon meines Wissens kaum Gebrauch gemacht und hat die vertikalen Linien immer parallel dargestellt. Einen Sonderfall stellen Deckengemälde dar. Allerdings kann es für eine Mittel- oder Oberstufenklasse interessant sein den Zenith ein Stück weit zu erforschen, etwa durch den Blick in eine Häuserschlucht aus dem Flugzeug. Allerdings handelt es sich dabei in der Regel um eine Frontalperspektive nur mit verändertem Blickwinkel. Der Zenith selbst muss dabei nicht reflektiert werden.

Teilschritt 5: Der Plattenboden der Renaissance
Die erscheinungsrichtige Verkürzung der Sehdinge scheint mir eines der schwierigeren Probleme der Zentralperspektive zu sein. Nach Panofsky scheint die erste Veröffentlichung des Distanzpunktverfahrens erst Ende des 16. Jh, nämlich 1583 bei Vignola erfolgt zu sein. „Ob das Distanzpunktverfahren in Italien vor Vignola-Danti bekannt war, ist zumindest zweifelhaft.“(Panofsky, „Perspektive als symbolische Form“ Anm.60) Damit bezweifelt Panofsky, dass Alberti, Piero della Francesca, Leonardo, Dürer, um nur einmal die wichtigsten Verbreiteter der Perspektivlehre zu nennen, die Distanz geometrisch exakt bestimmt haben. Das Bildmotiv für alle Exerzitien der Verkürzung des Tiefenraums ist der Plattenboden aus quadratischen Elementen. Alberti führt die Quadratdiagonale als Regulativ für die stetige Verkürzung ein. Der Diagonalfluchtpunkt scheint dann den nächsten Schritt in der Entwicklung dargestellt zu haben. Ein realistischer Blick auf Architektur etwa erfordert große Distanzen, was bei Zeichnungen in der Schule unpraktisch wird, weil die Fluchtpunkte dann weit außerhalb des Zeichenblattes liegen. Der Distanzpunkt setzt im Grunde eine Zusammenschau von Grundriss, Seitenriss und Aufriss voraus, was für die Malerei einen erheblichen praktischen Umstand darstellt wegen der Größe, die die Abwicklung der 3-Tafel-Projektion selbst bei einer überschaubaren Bildgröße erfordert. Nur so sind auch die Ratschläge zu verstehen, die in den entsprechenden Lehrwerken für die Wahl des Diagonalwinkels gegeben wurden. Schüler jedenfalls neigen dazu, beim Diagonalverfahren die Verkürzung viel zu gering einzuschätzen, wodurch Projektionen entstehen, die man direkt an die Nasenspitze halten müsste um einen ‚angemessenen‘ Eindruck von Verkürzung zu gewinnen. Populäre Lehrbücher zur Perspektive verzichten auch heute noch auf eine Erklärung der richtigen Distanz. Das „Handbuch der Zeichenkunst“ von José M. Parramon 1989 z.B. empfiehlt für die Bemessung des ersten Abstands eines Quadratischen Plattenbodens das ‚Augenmaß‘ heranzuziehen. Der Rest erfolgt dann mechanisch über die Diagonalen der so abgegrenzten Trapeze. „Perspektiven der Kunst“ von Nerdinger zeigt in Abb. 64 eine zentralperspektivische Projektion eines Schachbrettmusters, gibt aber für die Verkürzung keinen Hinweis auf die Distanzproblematik. 
Abb. oben zeigt ein in der 11. Jgst. erarbeitete Wahrnehmungsmodell der Frontalperspektive
Kunstlehrer wissen: Jede Perspektive ist nur für einen einzigen Augpunkt ‚richtig‘. Wenn sie aber perspektivisch zeichnen lassen, dann bestimmen sie den Standpunkt in der Regel nur durch seine Höhe im Bild und seine Breitenlage auf der Bildfläche. Die Distanz bleibt in der Regel unbestimmt und damit das eigentliche Kriterium für die erscheinungsrichtige Verkürzung von Tiefenabständen.

Aus den Arbeiten der hier mehrfach gezeigten 6. Klasse ragt eine deutlich heraus durch einen tief gelegten Horizont, ein einheitliches Fluchten der Bildobjekte und das Einbeziehen von Licht und Bildstimmung in die perspektivische Thematik. Auch solche Schüler hat man in dieser Altersgruppe, aber sie dürften eine einsame Minderheit darstellen.

Literatur
Jörg Sellenriek, „Zirkel und Lineal“, München 1987
Braunfels u.A. „Der vermessene Mensch“, Moos Verlag 1973
Wolfgang Metzger, Gesetze des Sehens", Frankfurt 1975
Richter, "Die Kinderzeichnung", Düsseldorf 1987
Panofsky,  „Perspektive als symbolische Form", 1964
José M. Parramón, "Handbuch der Zeichenkunst", Bindlach 1989
Hans Belting, "Florenz und Bagdad - Eine westöstliche Geschichte des Blicks", München 2008