Die Jesuitenkirchen: Il Gesu und S. Ignazio
von Julian Büchner
 
1568 begann Giacomo Vignola im Auftrag des Kardinals Alessandro Farnese mit der Errichtung der römischen Mutterkirche des 1534 durch Ignatius von Loyola gegründeten und 1540 durch Papst Paul III. bestätigten Jesuitenordens. Nach Vignolas Tod im Jahre 1573 vollendete Giacomo della Porta den Innenraum und errichtete die Fassade. Obgleich sich die Kirche bereits seit dem heiligen Jahr 1575 in Benutzung befand, erfolgte ihre Weihe erst 1584.

Unter starker Einflussnahme des Auftraggebers und des Ordens entwickelte Vignola eine Grundrisslösung, in der sich die beiden Grundtypen der abendländischen Architektur homogen verbinden: Zentralbau und gerichteter Longitudinalbau werden hier vollkommen miteinander verschmolzen. An ein einschiffiges, von Seitenkapellen flankiertes Langhaus schließt sich im Osten ein Baukörper an. Da die östlich anschließende halbrunde Apsis als Aufstellungsort des Hauptaltars dient, besitzt diese "Pseudo-Vierung" auch keinerlei liturgische Funktion. Sie ist also vielmehr ein Bezug auf die Baugepflogenheiten der Renaissance zu verstehen, die in der überkuppelten Vierung eines ihrer zentralen Bauthemen gesehen hatte. Betrachtet man den Grundriss als Ganzes, so erscheint er als ein dem Rechteck einbeschriebenes Lateinisches Kreuz, dessen Seitenarme nur unwesentlich über den ansonsten geschlossenen Umriss hinausragen. Das breite, tonnengewölbte Langhaus wird in seiner Geschlossenheit und Einheitlichkeit durch die begleitenden Kapellen kaum beeinträchtigt. Vielmehr ist diesen eine kolossale Pilasterordnung mit mächtigem Gesims vorgeblendet, deren strenges Relief den Raum kraftvoll zusammenfasst. Östlich davon schließt sich dann der Kuppelbereich an, der nicht zuletzt aufgrund der Fülle des durch die Fenster im Kuppeltambour einfallenden Lichts den optischen Mittelpunkt des Innenraums bildet und diesen auf sich hin zentriert. An ein tonnengewölbtes Zwischenjoch schließt sich dann im Osten die halbrunde Apsis an.

Vignola schuf mit dem vereinheitlichten Raumgefüge von Il Gesù einen Bautypus, dessen Wirkung auf die europäische Sakralarchitektur des Barock kaum zu überschätzen ist. So wurde die Disposition dieses Einheitsraums zunächst an einer Vielzahl römischer Kirchen des Frühbarocks übernommen, ehe dann sogar das Zentralbauprojekt der Peterskirche unter dem Eindruck von Il Gesù und seiner Nachfolgebauten erweitert wurde. Carlo Maderno fügte ab 1603 dem bereits vollendeten Renaissancebau im Osten ein ebenfalls im Wandpfeilerschema gestaltetes Langhaus an.Aber auch außerhalb Roms übte Vignolas Bau eine immense Wirkung aus. Als frühes Beispiel der zahlreichen nordalpinen Nachfolger sei hier auf die Jesuitenkirche St. Michael in München verwiesen, die 1583-97 nach Plänen Friedrich Sustris' errichtet worden war.

Eine ähnliche Initialwirkung sollte auch die 1573-77 ausgeführte Fassade entfalten. Giacomo della Porta schuf mit der zweigeschossigen, von einem flachen Giebel bekrönten Schauwand einen Fassadentypus, der für die Sakralarchitektur des römischen Frühbarock verbindlich werden sollte. Das Wandrelief aus korinthisierenden Pilastern verdichtet sich zur Mitte hin und erfährt in den das Portal flankierenden Halbsäulen eine deutliche plastische Steigerung. Das der Renaissance entstammende Formvokabular gerät hier in Bewegung. Diese Dynamisierung der Architektur sollte sich bei den zahlreichen Nachfolgebauten der Jesuskirche immer weiter steigern und noch im römischen Frühbarock in so schwingende Fassadenlösungen wie etwa die der Kirchen Santa-Susanna oder Sant' Andrea della Valle münden.

Hatte die Kirche Vignolas mit ihrer nur durch die Travertinpilaster aufgelockerten weißen Monochromie ihre Raumwirkung ausschließlich der großzügigen Weite ihrer Architektur überlassen, so erfuhr die Struktur des Innenraums heute durch die Ausstattung des
17. Jahrunderts eine einschneidende Veränderung. Hierbei bestimmen vor allem die Stukkaturen Antonio Raggis sowie die Fresken des Bernini-Schülers Giovanni Battista Gaulli das Erscheinungsbild des Innern. In der Loslösung des malerischen und plastischen Schmucks vom architektonischen Grund stellen sie ein Hauptwerk des barocken Illusionismus dar.
Von der übrigen Ausstattung verdienen vor allem die Altäre der beiden seitlichen Kreuzarmebesonderes Augenmerk: Den Altar des heiligen Franz Xaver im rechten "Querhaus" schuf Pietro da Contorna 1674-78, sein Pendant im linken Kreuzarm errichtete Andrea Pozzo 1696-1700. Der überaus reich skulpierte Altar beherbergt das Grabmal des Ordensgründers Ignatius von Loyola.

 
zurück zur Übersicht