Als 23-jähriger erhielt
Michelangelo Buonarotti von einem französischen Kardinal den Auftrag
für die Pietà. Die Pietà ist ein so genanntes Vesperbild.
Man versteht unter einem Versperbild die Darstellung der Mutter Gottes
mit dem Leichnam ihres göttlichen Sohnes auf dem Schoße oder
zu Füßen. In der Heiligen Schrift ist nicht erzählt,
dass Maria den Leichnam Christi in der Zeit zwischen Kreuzabnahme und
Grablegung gehalten habe. Diese Vorstellung ist wohl in der dt. Mystik
des hohen Mittelalters entstanden. Ein unbekannter Meister hat um 1300
in Mitteldeutschland den Gedanken in ein plastisches Bild übertragen
und auf diese Weise ein Vorbild für viele Wdh. in der Gotik geschaffen.
Diese Art von Andachtsbild wurde aus Deutschland nach Oberitalien gebracht,
auch in Frankreich wurden Vesperbilder verehrt.
Der franz. Kardinal hat den jungen Michelangelo wahrscheinlich auf dieses
Motiv hingewiesen. Den Einfluss des Quattrocento spürt der Betrachter
noch bei der Pietà, aber zugleich auch wie sehr sich Michelangelo
von diesen Vorbildern befreit hat. Bei dieser Plastik ging seine technische
Vollendung, besonders die Politur soweit, wie es vor ihm nur hellenistische
Bildhauer und nach ihm wieder Bernini gemacht haben. Michelangelo wollte
eine schöne, jungfräuliche, sitzende Maria zeigen, die ihren
ausgewachsenen, toten Sohn auf dem Schoß in den Falten ihres Gewandes
gebettet hält. Im Gegensatz zur bekleideten Madonna ist der Leichnam
nackt. Michelangelo erreichte eine Art von Schönheit und technische
Vollkommenheit, wie es der Bildhauer in späteren Jahren nie wieder
zu erreichen suchte.
1972 beschädigte zu Pfingsten ein Geisteskranker die Pietà
mit einem Hammer und schlägt ihr einen Arm ab. Heute ist sie wieder
restauriert, doch aus Sorge vor weiteren Angriffen hat man sie nun hinter
Panzerglas gestellt. Die Pietà ist das einzige Werk das er signiert
hat: auf dem Schulterblatt der Madonna mit den Worten Michel Angelus
Bonarotus Florentinus faciebat.
1505 wurde Michelangelo von
Papst Julius II nach Rom gerufen und wurde für den Bau seines Mausoleums
beauftragt. Er ritt nach Carrera, einen Marmorsteinbruch in Italien,
um dort 34 große Marmorblöcke für das gigantische Vorhaben
brechen zu lassen.
Der Plan sah vor, dass sich unter einer der Kuppeln des noch nicht gebauten
Petersdoms eine mehrgeschossige Kapelle erheben sollte. An der Außenseite
dieses Baus sollten 40 große Statuen und Reliefs das Werk Julius
II. verherrlichen. Die Wände sollten außerdem Pfeiler tragen,
die selber halbmenschlich gebildet waren und vor diese sollten sich
Gefesselte winden. Von 1508 an war Michelangelo mehr oder weniger gegen
seinen Willen an die Arbeit an der Sixtinischen Kapelle gebunden und
konnte nicht an dem Grabmal weiterarbeiten. Nach der Beendigung der
sixtinischen Decke, wandte sich Michelangelo sofort dem Marmor wieder
zu. Neun Monate später starb Papst Julius II., seine Nachfolger
hatte aber andere Pläne für die Kapelle. Die Pläne für
die Ausführung des Grabmals wurden mit der Zeit immer bescheidener.
Das Großprojekt beschäftigte den Baumeister über vierzig
Jahre hinweg. Papst Julius II. liegt nicht in seinem Mausoleum, sondern
im Petersdom begraben.
Michelangelo schuf für das Grabmal zwei Sklaven (ein gefesselter
und ein sterbender, beide stehen im Louvre), zwei Darstellungen der
beiden Frauen des Jacobs (Rachel und Lea) und den Moses.
1532 beschloss man das Grabmal nicht in Sankt Peter, sondern in San
Pietro in Vincoli aufzustellen, wo die Plastik des Moses heute immer
noch seinen Platz hat. Man vermutet dass Michelangelo schon 1505 in
Carrera mit der Figur des Moses begonnen hat. 1513-16 vollendete er
ihn dann endgültig. Die Statue stellt Moses dar, vom Berg Sinai
herabsteigend, die Gesetzestafeln mit den Geboten des Herrn in der Hand;
als er entdeckt, dass das Volk Israel, das er aus Ägyptens Knechtschaft
führte, das Goldene Kalb umtanzt. Der Gesichtsausdruck des Moses
zeigt die eben empfangene Göttlichkeit und gleichzeitig den unberechenbaren
Zorn über sein Volk, das ihn verraten hat. Der Betrachter wird
geheimnisvolle Art und Weise von der Statue festgehalten, denn es birgt
Ruhe und auch gleichzeitig zornige Gefühlswallungen in sich; es
erscheint von jedem Betrachtungspunkt anders: einmal beschaulich, ruhig
und besonnen, dann jedoch wieder von der anderen Seite aktiv, beherrscht
und herrschend.
Von 1514 bis 1521 schuf Michelangelo
für die Kirche Santa Maria sopra Minerva Christus den Auferstandenen.
Die in antiker Weise dargestellt nackte Figur, hält das Kreuz umschlungen.
Es sind zwei Urmotive, die Michelangelo, und ihn allein, immer
wieder beschäftigt haben: das Emporringen des Körpers aus
dem Stein, der sie gefesselt hält, und die Bedrohung durch den
Sturz von der Schwere des eigenen Leibes, die die Kraft zu überwinden
sucht. Genau das trifft hier auch auf den Christus zu: Michelangelo
schafft es das Problem der Gewichtsverteilung mit der neuen Form des
Christus zu lösen.
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