Die Stanzen des Raffael im Vatikan
von Barbara Schmidt
 
Raffael *6.4.1483 in Urbino als Sohn des Malers Giovanni Santi
†6.4.1520 in Rom
1500-1504 Lehrjahre in Perugia
1504-1508 Florenz mit Reisen nach Urbino/ Perugia: Raffael malt Madonnenbilder, Porträts, Begegnung mit den
anderen großen Meistern der Renaissance: Michelangelo,
Fra'Bartolommeo und Leonardo
seit 1508 Rom: Papst Julius der Zweite vertraut auf Bramantes Empfehlung dem jungen Raffael die Bemalung der Stanzen (Gemächer) seines Palastes an

1508-1513 es entstehen die Stanza della Segnatura und die Stanza di Eliodoro
1513-1520 Stanza del Incendio und Sala di Constantino: die Bilder gehen zwar auf Raffaels Entwürfe zurück, die Ausführung hat er jedoch Schülern überlassen (Romano, Penni)

Die Stanza della Segnatura

Das Thema dieses Raumes ist die menschliche Geistesgeschichte dargesteltt durch die drei Fresken Der Parnass. Die Schule von Athen und Die Disputà, die geordnet drei Wände des Zimmers schmücken. Auf der Fensterwand ist die Jurisprudenz und das Kirchenrecht durch Julius den Zweiten abgebildet. Über jedem Gemälde weilt auf der bilderreichen Decke eine Gedankengöttin, die das Thema der Fresken verkörpert:
Poesia über dem Parnass,
Philosophia über der Schule von Athen,
Theologia über der Disputà
und Justitia als vierte im Kreis
(der Raum diente früher für Gerichtsverhandlungen)

Damit sind die wichtigsten Bereiche des geistigen Lebens vergegenwärtigt: Dichtung, Philosophie, Gotteserkenntnis und die Justiz, die ein sittliches Leben der Menschen in einer auf Recht beruhenden Ordnung gewährleistet. Zwischen den Göttinnen befinden sich vier Bilder, welche deren Wirken und gegenseitige Wechselbeziehungen versinnbildlichen:
Der Sündenfall zw. Theologia und Justizia
Das salomonische Urteil zw. Justizia und Philosophia
Astronomia beim Betrachten einer Himmelskugel zw. Philosophia und Poesia
Apoll und Marsyas (göttl. u. irdische Poesie) zw. Poesia und Theologia

Die drei großen Fresken

Der Parnass: Parnass heißt der Berg des Apoll, welcher hier im Mittelpunkt die Bratsche spielt. Das Streichinstrument ersetzt die Lyra, mit der Apoll in der Antike dargestellt wurde. Damit sagt Raffael, dass Apoll auch ein Gott ihrer Zeit ist. Er ist umgeben von den neun Töchtern des Zeus, den Musen, welche seiner Musik lauschen. Die Musenquellen (der Gesang, das Spiel) entspringen also dem Parnass, der Natur. Außerdem zu sehen sind die größten Dichter der Antike, z.B. Homer, Dante und Vergil sowie die zeitgenössischen, Ariost und Sannazaro.

Die Schule von Athen: Der Ort ist ein Tempel in römischem Baustil, antik sind die Statuen Apollon und Athena (obere Bildhälfte). Das Bild zeigt ebenso wie der Parnass viele berühmte Menschen aus der griech. Antike und aus der Gegenwart, diesmal große Denker, Naturwissenschaftler, Mathematiker und ihre Schüler. Es bewegen sich die Lebenden im Vordergrund, unter ihnen rechts Euklid, der einen Lehrsatz erklärt, mit Bramante, Sodoma und Raffael selbst; links im Bild Pythagoras schreibend und Empedokles. In der hinteren Zone befinden sich die großen Weisen; sie scharen sich um Platon und Aristoteles, die in ein Gespräch vertieft aus der hohen Halle hinausschreiten. Platon (Züge Leonardos) zeigt gen Himmel als das Reicht des Lichts, der Erkenntnis, während Aristoteles auf die Erde weist als die große Lehrerin des Menschen, den Bereich der Naturwissenschaft. Links von ihnen abgebildet ist Sokrates diskutierend mit Alkibiades.
Raffael hat in dem Fresko das Gesellschaftliche besonders betont: Große Meister, die gemeinsam disputieren, ihren Schülern diktieren, sie somit in den Kreis der höchsten Weisheit einführen und ihnen die wissenschaftliche Leidenschaft vermitteln. Sichtbar wird dies z.B. besonders schön an der Schülergruppe um Euklid oder der Pythagoras-Gruppe.

Die Disputà del Sacramento: Nach der Darstellung der Gemeinschaft im Geist zeigt dieses Gemälde die noch höhere Gemeinschaft im Glauben, die Gemeinde. Im Himmel ist Christus der Meittelpunkt, auf Erden darunter der Altar mit Hostie und Ostensorium. Jesus sitzt zwischen Maria und Johannes dem Täufer, unter ihm die Taube des Geistes. Hinter ihm erhebt Gott Vater segnend seine Hand, Engel schweben auf ihn zu. Links und rechts von Jesus Christus zwölf Auserwählte, darunter Petrus, Adam, König David, Moses, Abraham und Paulus. Um den Altar herum befinden sich u.a. Päpste, Bramante und Dante diesmal als Theologe.

In der Stanza della Segnatura ist nicht nur die hellenische (griech.) Mythologie u. Dichtung mit dem christlichen Glauben verbunden, die drei großen Fresken zeigen darüber hinaus den Weg auf, den die Menschheit ging und auch weiter gehen muss, um letztendlich Gott in seiner Herrlichkeit zu erkennen: Aus der Schönheit (Poesie) wird über das Wissen (Philosophie) die Theologie als die ewige Wahrheit.


Die Stanza di Eliodoro
In diesem Gemach sind geschichtliche Ereignisse in dramatischen Szenen dargestellt; sie sind jedoch nur noch teilweise von Raffael selbst gemalt. Die Wände tragen die vier Bilder:
•Begegnug Leos des Ersten mit Attila
Leo vertreibt den Hunnenkönig aus Italien unter Beistand von Petrus und Paulus
•Die Messe von Bolsena
Julius der Zweite gegenüber dem böhmischen Priester kniend
•Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis
•Die Vertreibung des Heliodor

 
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