Bernini als Urbanist: Der Petersplatz
im Vergleich zum Kapitolsplatz
von Anja Lochner
 

Ohne Frage gehört der Petersdom zu einem der atemberaubendsten und schönsten Bauwerke Roms. Betrachtet man den Dom von außen, steht man jedoch auf einer zweiten architektonischen Meisterleistung, dem Petersplatz. Gian Lorenzo Bernini, der diesen gewaltigen Platz zwischen 1665 und1667 erbaut hatte, gelang das scheinbar unmögliche, die Verbindung des Kolossalischen und des Harmonischen, die Aufhebung des Widerspruchs, der zwischen übermenschlicher Größe und menschengemäßem Maß besteht.
Zwei Kolonnaden im Halbkreis umfassen einen ovalen Grundriss. Das Platzoval ist durch Flügelbauten mit der Basilika verbunden. Sie treten nach der Fassade hin weiter auseinander, wodurch diese optisch leichter wirkt. Ein Kunstgriff, den Michelangelo bereits beim Kapitolsplatz angewendet hatte.
Die Fassade des Peterdoms war 1614 vollendet worden, seit 1586 stand der Obelisk und auch einer der Brunnen war bereits 1613 vorhanden. So hatte Bernini wichtige Punkte, an die er sich richten musste. Auch die Schrägstellung des auf die Scala Regina zuführenden Korridors und das leicht ansteigende Gelände nutzte er, um, nach dem Vorbild Michelangelos, einen trapezförmigen Platz, den Piazza Retta, zu schaffen, der die Kirche noch größer erscheinen lässt. Hinter dieses Trapez, das die Pilger bis an die Stufen des Doms heranführt, legte er eine gewaltige Ellipse von 240 zu 190 Metern Durchmesser an, in deren Längsachse die beiden Brunnen stehen und in deren Mittelpunkt sich der Obelisk emporreckt. Dieser 25 Meter hohe Nadelstein aus Granit steht auf dem Rücken von vier Bronzelöwen und wurde von Sixtus V. dort aufgestellt, wo er heute steht. Er ist gekrönt vom Familienwappen des Chigipapstes Alexander VII. und hat einen Splitter vom Kreuze Christis in der Spitze eingelassen. Die Ellipse, die fast wie ein Kreis wirkt, ist umgeben von riesigen, vier Säulen tiefen Kolonnaden mit 284 dorischen Säulen aus Travertin, über welchen eine Balustrade an die hundert Heiligenstatuen trägt. In der Mitte zwischen dem Obelisken und den Brunnen bezeichnen kleine runde Steinplatten die Stellen, von denen aus man in den Kolonnaden nur eine einfache Säulenreihe sieht, weil jede vordere Säule die drei hinter ihr stehenden verdeckt. Die Wirkung, welche die Ellipse, die im übrigen den Namen Piazza obliqua trägt, und das wie ein flaches Rechteck scheinende Trapez auf den Betrachter hat, wird durch die Pflasterung, in das dunkle Lavapflaster eingelegte Sternlinien aus Marmor, noch verstärkt. Auch hier ließ sich Bernini von Michelangelos Kapitolsplatz anregen, der einige Gemeinsamkeiten aufzeigt. Auch dieser, auf den Kapitolinischen Hügeln liegende Platz, ist nicht rechteckig, sondern verbreitert sich gegen den hohen Senatorenpalast zu. In dieses unregelmäßige Viereck, zu dessen Rechten der Konservatorenpalast und links der Palast des Kapitoinischen Museums steht, ist ein Oval eingezeichnet, das einen labyrinthischen Stern umrundet. Da an beiden Seiten des Senatorenpalastes Durchblicke frei bleiben, umgrenzen die drei Paläste den Platz ohne ihn zu schließen. Im Mittelpunkt des Platzes steht, wie beim Petersplatz der Obelisk, ein antikes Reiterstandbild des Kaisers Mark Aurel. Die Fassade des Senatorenpalastes ist einem mittelalterlichen Palast vorgeblendet und wurde 1592-1598 von Girolamo Rainaldi erbaut.
Auch wenn Bernini Michelangelos Kapitolsplatz als Vorbild genutzt hat, so hat er mit dem Petersplatz doch etwas völlig neues geschaffen, eine bewundernswerte Meisterleistung der Architektur.

 
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