Skulpturen von Gian Lorenzo Bernini (1598-1680)
in der Villa Borghese
von Wilhelm Bade
 

Sie ist Roms volkstümlichster Park und eine Schöpfung von Kardinal Scipione Borghese (1578-1640). Auch sein Porträt, geschaffen von Bernini, hängt in der Galleria Borghese aus. Sein Onkel war Papst Paul V. und stellte ihm riesige mittel zur Verfügung. 1608 begann Scipione mit dem Ankauf des Terrains für seine Villa. 1902 erwarb die Stadt die gesamte Villa, inklusive der Kunstschätze.Der Kardinal war nicht nur Sammler Antiker Kunst, sondern förderte als Liebhaber moderner Kunst besonders den jungen Bernini, dem später berühmtesten römischen Bildhauer des Hochbarock. Eines seiner frühesten Werke ist der David mit der Schleuder, der 1623-24 entstand. Die Figur zeigt einen starren, fast pathologischen Gesichtsausdruck. Er huldigt dem Psychologismus, zu dem ihn pergamenische Vorbilder angeregt haben könnten. Es wurde überliefert, dass Bernini sich in diesem David selbst dargestellt hat. Im Gegensatz zu Donatello und Michelangelo zeigt Bernini seinen David im Augenblick der Tat, was typisch für seine barocken Werke ist. Die Bewegung des Körpers und die Spannung der Muskeln zeigt das Momentane, dass mit größter Virtuosität erfasst ist. Scipione Borghese setzte große Hoffnungen in das junge Talent, das es vermochte, sein Werk dem Zeitgeschmack des pathetischen und gewisser Maßen veristischen entsprechen zu lassen. Er gab somit ein weiteres Werk in Bestellung: Apoll und Daphne, (1622-25). Hier wird nicht aus der Bibel, sondern aus einem antiken mythos ein Sinnbild der Tugend gestaltet. Apoll verfolgt Daphne um sie zu besitzen, doch Diane, die göttin der Keuschheit erhört ihr flehen und verwandelt sie in einen Lorbeerbaum. Dem gott bleiben nur Lorbeerblätter, die Zeichen des Künstlerruhmes in den Händen. Ein weiteres Mal hat Bernini es geschafft einen flüchtigen Augenblick wiederzugeben. Durch unerhörte handwerkliche Leistung bei der Darstellung der verschiedenen Substanzen, wie Haare, Haut, Stoff und Blätter, gelingt Bernini ein erstaunliches Kunststück. Es machte einen tiefen Eindruck auf seine Zeitgenossen und ihn berühmt, wobei manche Leute die strahlende Nacktheit der Nymphe bedenklich fanden. Als der Meister nach 40 Jahren sein Werk nochmals betrachtete, rief er aus: "Ach wie wenig habe ich doch in der Kunst gelernt, wenn ich schon als Jüngling so mit dem Marmor umzugehen wusste!" Eine weitere Gruppe begann Bernini schon, als er die letztere kaum vollendet hatte. Nach der Verfolgung eines Mädchens ist hier eine Entführung dargestellt: Pluto raubt Proserpina (1621-22). Hier zeigt sich deutlich, dass er Barockbildhauer war. Die Veritas (1645-52) ist nur ein Teil einer Gruppe, die er geplant hatte, als er beim Papst Innozenz X. durch Verleumdung in Ungnade gefallen war. Sie sollte den Gott der Zeit darstellen, der die Wahrheit enthüllt. Sie stellt eine Schwester der Flussgötter an der Piazza Navona dar. Es war der erste weibliche Akt, den Bernini nach Daphne und Proserpina, also rund 20 Jahre nach diesen geschaffen hat: eines seiner barocksten Werke, zugleich nach Form und Inhalt eines seiner persönlichsten, das er darum nicht verkauft, sondern seiner Familie hinterlassen hat.

David mit der Schleuder Apoll und Daphne Pluto raubt Proserpina Veritas
Worterklärungen:
pathologisch: krankhaft; pathetischen: [übertrieben] feierlich; veristisch: krass wirklichkeitsgetreue künstlerische Darstellung; pergamenische: aus Pergamon;
 
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