Pictureboard 
filmisch denken in stehenden Bildern - Aktion und Handlung filmisch auflösen

von Uli Schuster

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Bei der eigenen schulischen Arbeit mit Video gibt es neben der spontanen Aufzeichnung nach dem Motto "Draufhalten und abdrücken" auch den geplanten Dreh. Dabei kann bei der Planung je nach Anspruch unterschieden werden die Filmidee oder Skizze, die Story oder das Drehbuch, das Pictureboard und der Drehplan.
1.
Für die Filmidee gibt es kaum festschreibbare Vorstellungen für eine Form der Planung. In den meisten Fällen findet die Filmidee bestenfalls ihren Niederschlag auf einem Zettel, auf dem lose ein erzählerischer Kern notiert wird, vielleicht ein Drehort oder Personen oder auch eine Bildvorstellung, von der die Idee ihren Ausgang nahm. Die Skizze ist in den meisten Fällen nur eine Gedächtnisstütze für einen Zettelkasten, in dem sich im Laufe der Zeit Ideen sammeln, die sich irgendwann möglicherweise zu einem Vorhaben verdichten.
2.
Die Story oder das Drehbuch geht schon einen wesentlichen Schritt weiter. Auch wenn "Buch" für die meisten Fälle eher etwas hochtrabend erscheint, ist hiermit eine Textfassung der Filmidee gemeint, die bereits Handlung, Dialoge zusammen mit ersten filmischen Anweisungen ausarbeitet, sich also auch schon konkret auf Personen und Schauplätze bezieht und eine dramaturgische Vorstellung (Einleitung, Hauptteil - Höhepunkt, Schluss) entfaltet.
3.
Das Pictureboard muss gegenüber der reinen Textform eine ganz erhebliche Übersetzung leisten, die Auflösung der Handlung in filmische Einstellungen. Was der Text nicht unbedingt schon liefert, muss nun gefunden werden, die Bilder, der Bildausschnitt, die Kameraposition als Perspektive auf ein Geschehen, die Bewegungen der Kamera und die Anschlüsse von jeder Einstellung zur nächsten.
4.
Der Drehplan ist ein weiterer Schritt auf den konkreten Dreh zu. Er fasst all die Einstellungen zusammen, die sinnvollerweise auf einen Drehtermin gelegt werden müssen. Das kann zu tun haben mit dem gemeinsamen Drehort, mit Schauspielern, die nicht beliebig zur Verfügung stehen oder dergleichen mehr. Der Drehplan erfüllt auch eine logistische Funktion. Welches Gerät muß man mitnehmen, gibt es Stromanschlüsse, braucht man eine Drehgenehmigung, wo sind mögliche Kamerapositionen etc.
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Die Vorbilder
Harold Michelson zeichnete für Alfred Hitchcock das Pictureboard für "Birds". Die Anweisungen dazu entnahm er den Skizzen von Hitchcock selbst oder denen seines Produktionsdesigners Robert Boyle. Hitchcock scheint selbst wesentliche Aspekte einzelner Einstellungen in Skizzen notiert zu haben und konnte dabei offenbar auf ganz gute zeichnerische Fähigkeiten zurückgreifen. Schließlich hatte er beim Film angefangen als Zeichner von Zwischentiteln für Stummfilme und als Ausstatter für Filmdekorationen.

Steven Spielberg gehört zu den Regisseuren, die ihre Filme von der ersten bis zur letzten Szene auf Storyboards ausarbeiten lassen und er beschäftigte für Jurassic Parc ein ganzes Team von Zeichnern unter der Leitung des Produktionsdesigners Rick Carter. Zum Teil gingen ihre Entwürfe zum Produktionsdesign sogar noch dem Drehbuch voraus, entwarfen die Szenarien und Charaktere, nach denen dann die Modelle gebaut und die Drehorte ausgesucht wurden. Es ist also durchaus nicht medienfremd, wenn wir im Unterricht an eine Filmidee erst einmal zeichnerisch herangehen. Das Pictureboard ist dann eine Etappe und ein Aufgabenbereich im Produktionsdesign eines Films. Übrigens funktioniert auch bei Spielberg die Verständigung zwischen den Produktionsdesignern und dem Regisseur gelegentlich über Strichmännchenskizzen, mit denen Spielberg bei Besprechungen seine Ideen zu Papier bringt. (Bildquellen s.u. Literatur)

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Wann muß man, warum soll man?
Aus diesen Planungsmitteln zum Film kann das Pictureboard als eigenständige Aufgabe für den Kunstunterricht herausgelöst werden. Ein Pictureboard ist nicht einfach ein Comicstrip, wenn beide auch eine entfernte Verwandtschaft miteinander haben.
Das Pictureboard scheint im professionellen Film dort einen festen Platz zu haben, wo es um eine möglichst ökonomische Planung geht, oder wo der der Film - wie z. B. bei einem hohen Anteil von Effekten - aus einer Mischung von Realfilm, Video und Animation besteht. Historisch scheinen die ersten Pictureboards tatsächlich verknüpft mit dem Animationsfilm. Die Disney Studios benutzten schon in den 30er Jahren Pictureboards, um die vielfältigen Produktionsabläufe bei ihren gezeichneten Filmen zu koordinieren. 
Obwohl die Mischung von Realfilm und Animation als ein Akt der Postproduktion bezeichnet wird, wird mit der Prodution von Animationssequenzen üblicherweise nicht erst nach dem Herstellen des Realfilmanteile begonnen. Da im Film beides ineinandergreifen muss und voneinander abhängt, ist es sinnvoll, dass beide Produktionsstränge zeitgleich nebeneinander laufen, zumindest bis zu einem gewissen Grad der Vollendung, etwa der Festlegung von Bewegungsabläufen, der Positionierung von virtuellen Filmpartnern oder der Festlegung auf eine Architektur virtueller Schauplätze. Animationskomponenten wie Licht und Texturen sowie deren zeitaufwendiges Rendering können auch nach dem Dreh der Realsequenzen erfolgen. Wer im Video - auch in einer schulischen Produktion - Realaufnahmen mit Modellen oder Animationen mischen will, benötigt für ein befriedigend präzises Zusammenspiel beider Elemente ein ziemlich gut gezeichnetes Pictureboard.

Im schulischen Kontext wird  der gerade skizzierte Fall eher eine Ausnahme bleiben. Hier gibt auch im Normalfall nicht der ökonomische Zwang die Notwendigkeit eines Pictureboards vor, sondern die pädagogische Einsicht, daß das Auflösen einer Handlung in eine Folge von Einstellungen erst einmal im Kopf erfolgen muss, bevor es als Film "in den Kasten" kommen kann. Meine eigenen Erlebnisse mit "Draufhalten und Abdrücken" haben selten zu pädagogisch auswertbaren Ergebnissen geführt. Hingegen halte ich die zeichnerische Planung eines Films auch dann für sinnvoll, wenn der Film dann am Ende gar nicht gemacht wird, oder ganz anders gemacht wird. Das Pictureboard kann als eigenständige Aufgabe und Übung bestehen.

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Wie lernt man das Auflösen?
Wenn jemand die Frage stellte, wo man denn lernen kann, wie eine Handlung in Einstellungen aufzulösen wäre, dann würde ich darauf antworten: Bei der Filmanalyse. Planung und Protokoll sind zwei eng miteinander verwandte Beschreibungssprachen. Didaktisch klug scheint mir ein unterrichtliches Vorgehen, das eine filmische Idee aus der Analyse einer realisierten Filmidee entwickelt. Also präsentiere ich im Unterricht eine Filmsequenz, lasse sie zeichnerisch und mit dem sprachlichen Vokabular der Filmregie untersuchen und lasse sie in eine neue filmische Aufnahme übersetzen.
Das Zeichnen nach einen Videostandbild ist insbesondere in der Mittelstufe eine hervorragende Übung. Man gibt den Schülern ein vorbereitetes Blatt mit leeren Frames und kann schon vorab ankündigen, dass für jede Einstellung ca. 5 Minuten Zeit zum Zeichnen ist. Zuerst werden die Hauptlinien und Richtungen erfasst, wer gut ist, kann bis in die Verteilung von Hell und Dunkel den Charakter jeder Einstellung bestimmen. Nach dem Zeichnen wird jeweils die Einstellungsgröße und die Perspektive (Horizont einzeichnen lassen) bestimmt, Bewegungen im Bild und Bewegungen der Kamera werden durch Richtungspfeile markiert, andere Aspekte - wie z.B. der Ton - können hinzukommen. So entsteht in einer Unterrichtsstunde ein Sequenzprotokoll, das sich obendrein auch gut benoten läßt.
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Gezeichnet oder fotografiert?
Nicht viele Schüler haben die zeichnerischen Fähigkeiten, filmische Einstellungen aus dem Kopf so zu skizzieren, dass die räumliche Situation perspektivisch richtig erfasst, Figuren in Bewegung dargestellt, Bildausschnitte dramaturgisch effektvoll komponiert sind. Die meisten werden dies auch im Kunstunterricht nicht hinreichend lernen. Die Abbildung zeigt ein Blatt mit den 4 Anfangseinstellungen aus dem 63 solcher Seiten umfassenden Pictureboard zum Video "Deja vu", Luitpold-Gymnasium München 2000, gezeichnet von Moritz Mayerhofer, Regie B. Grudziecki.
Weil dies so ist, habe ich seit einigen Jahren Versuche zum Herstellen eines Pictureboards mit der Kamera (Video oder Digitalkamera) gemacht. Solche Bildsequenzen lassen sich relativ rasch in einen Rechner einlesen, ausdrucken und dann auf ihre filmische Tauglichkeit hin diskutieren. Mitglieder der Videogruppe oder Klasse besetzen dann bei den "Probeaufnahmen" die notwendigen Rollen quasi als "Dummies", als Platzhalter für mögliche Schauspieler. Was fotografiert werden kann, kann in der Regel auch gefilmt werden. Trotzdem werden auch beim Fotografieren die meisten "Shots" mit Stativ und Mitschaumonitor gemacht. Es gibt dazu positive wie auch negative Erfahrungen. Das Filmen kann - so vorbereitet - wesentlich zügiger vonstatten gehen. Die Kehrseite: Schlecht motivierte Schüler geben ihr filmisches Vorhaben aber möglicherweise schon beim Erstellen des Pictureboards auf.
 
Pictureboard Szene1 ganz  zum Handyfilm
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Fälle, Lösungen
Regieanweisungen können in einem Pictureboard entweder im Bild selbst, oder neben den Bildern untergebracht werden. Für ein längeres Projekt empfiehlt sich ein Vordruck, der die Seiten standardisiert, auch wenn dann nicht auf jedem Blatt alle vorgesehenen Möglichkeiten ausgefüllt werden müssen. Das hier abgebildete Blatt für "Katharsis" ist die Planung für ein Video, bei dem die handelnde Person vor Bluescreen gefilmt und später in ein Raumschiff montiert wurde, das auf dem Rechner dreidimensional konstruiert und texturiert wurde. Wenn der Passagier also zum Fenster hinaussieht, muss ihm der Regisseur sagen, auf welche Stelle der blauen Wand er schauen soll, weil dort im Video später ein Raumschiff vorbeifliegen wird. Das gibt dem Leser vielleicht eine Ahnung, dass hier die Abstimmung von Bewegungsrichtungen und Perspektiven eine heikle Sache ist, die ohne zeichnerische Fixierung kaum bewältigt werden kann.
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Bewegungspfeile können sich beziehen auf Bewegungen im Bild oder Kamerabewegungen. Hier eine sehr anschauliche Darstellung für beide Möglichkeiten. Das langgestreckte Hochformat symbolisiert einen vertikalen Schwenk vom Himmel durch eine Häuserschlucht auf die Straße, wo die Kamera zum Stillstand kommt und die Bewegung im Bild beginnt. Die Einstellung wurde konzipiert als Initiale, als Einstieg in einen Clip. Die Bildbearbeitung wurde hier mit "Photoshop" gemacht, das Pictureboard in "Word" erstellt.
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Hier ein vergleichbares Beispiel für die Darstellung eines Horizontalschwenks. Auch hier dient der Schwenk zur Eröffnung einer Szene, in der die Ankunft einer Person thematisiert werden sollte. Der Schwenk schafft Orientierung im Raum, zeigt relativ viel vom Schauplatz und bringt am Ende bereits den Handlungsträger ins Spiel. Die Aufnahmen wurden mit der digitalen Fotokamera gemacht und in Photoshop bearbeitet. Beide Bilder zu E1 zeigen die Sicht aus einer Kameraposition.
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In vergleichbarer Weise lassen sich zeichnerisch oder fotografisch Darstellungen finden für die Kamerafahrt, den Zoom oder andere Formen der Bildregie. 
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Literatur
Don Shay und Jody Duncan, "Jurrassic Parc", Droemer Knaur, 1993
Steven D. Katz, "Film directing shot by shot",  1991